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Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Titel: Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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der Männer gegen den Strand leckten.
    Während der zweiten Hälfte der Nacht war das Schreien und Schießen verklungen und die Brände einer nach dem anderen erloschen, und jetzt lagen die Häuser dunkel und bar jeden Lebens da; eine halbhohe, im grauen Licht der Dämmerung wie eine gezackte Zinnenmauer wirkende Wand, die sich vor dem größeren Schatten des Berges erhob. Brandgeruch hing in der Luft, und hier und da kräuselte sich noch Rauch in den Himmel.
    Eine Mauer des Schweigens. Es hätte der grünweißen, mit kleinen glitzernden Klümpchen durchsetzten Schleimspur auf dem Strand nicht einmal bedurft, um mir zu sagen, daß in diesem Ort nichts Lebendes mehr war.
    »Warten Sie«, sagte Harmfeld, als ich weitergehen wollte, um einer Welle auszuweichen, die schäumend herangerollt kam. »Irgend etwas stimmt hier nicht.«
    »Ach?« erwiderte ich spitz. »Wie kommen Sie darauf?«
    Harmfeld runzelte die Stirn, schenkte mir einen bösen Blick und sah aus zusammengekniffenen Augen zurück zum Meer, wo sich die ZUIDERMAAR wie ein gewaltiger schwimmender Berg erhob. Das Schiff war näher an die Küste herangekommen, so nahe, wie es einem Schiff dieser nicht unbeträchtlichen Größe eben möglich war, bevor es Gefahr lief, plötzlich auf dem seichten Strand aufzusetzen. Trotzdem war es noch eine gute halbe Meile vom Ufer entfernt. Selbst die NAUTILUS, deren Turm wie eine stählerne Klippe unweit des Schiffes aus dem Meer ragte, erschien mir unendlich weit entfernt. Das Bild erinnerte mich an Howard und Rowlf, die beiden einzigen Freunde, die ich besaß, und die auf diesem Schiff zurückgeblieben waren. Es tat weh. Ich hatte bis vor wenigen Stunden noch nicht einmal zu hoffen gewagt, sie überhaupt wiederzusehen. Und dann war dieses Wiedersehen ganz, ganz anders verlaufen, als ich mir erträumt hatte. Wie kam es nur, daß Howard und ich, die beide für den anderen eine große Hochachtung und ebenso tiefe Zuneigung empfanden, sich fast ununterbrochen stritten? Was war der Grund – waren wir zu verschieden oder zu ähnlich? Oder war es vielleicht so, daß man nicht tagtäglich mit dem Bösen umgehen konnte, ohne selbst so zu werden? Vielleicht war es wirklich so, wie Howard einmal – nicht ganz im Scherz – gemeint hatte: Es ist, als würdest du mit den Händen im Dreck wühlen, Junge. Du kannst ihn fortwerfen, so weit du willst. Etwas bleibt immer an dir haften.
    Ich verscheuchte den Gedanken, trat – Harmfelds Befehl mißachtend – zwei Schritte weiter auf den Strand hinauf und sah schadenfroh zu, wie Harmfeld und seine Leute nasse Füße bekamen. Auch Jennifer hatte sich ein Stück weit den Strand hinauf bewegt, obwohl sie gewiß nicht wasserscheu war. Ein flüchtiges Lächeln verzog ihre Lippen, als sie Harmfelds Mißgeschick bemerkte. Der Holländer fluchte, trat an meine Seite und blickte wieder zum Ort hinüber.
    Ein besorgter, ja beinahe schon ängstlicher Ausdruck begann sich auf seinen Zügen breitzumachen, während sein Blick über die niedergebrannten Häuser tastete. Seine Hand legte sich in einer unbewußten Geste auf den Griff des Paradesäbels, der von seiner Seite baumelte. Nirgends war eine Spur von Leben zu erblicken, aber das hatten wir auch nicht erwartet. Aber es war auch nicht ein einziger Toter zu sehen. Und das war beinahe schlimmer.
    Langsam gingen wir weiter, flankiert von dem Dutzend Männer, das Harmfeld und mich begleitete. Keiner von uns sprach, und selbst Jennifers Antlitz zeigte Furcht und Schrecken, als wir in die niedergebrannte Stadt eindrangen. Der Ort wirkte – so absurd es klingt – auf beunruhigende Weise friedlich. In dem kleinen, zum Hafen deklarierten Straßenabschnitt, in dem unsere Pinasse angelegt hatte, dümpelte ein halbes Dutzend Fischerboote in der Brandung, ein Stück weiter nördlich lugte das halbverfaulte Wrack eines etwas größeren Bootes aus dem Wasser, das vor Jahren einmal hier aufgelaufen sein mußte, ohne daß sich jemand die Mühe gemacht hätte, es zu bergen. Ein Stück den Strand hinauf, auf halber Strecke zwischen der Flutlinie und dem eigentlichen Ort, erhob sich das windschiefe Gebäude der Hafenkneipe, in der Shannon und ich am Tage zuvor um ein Haar gelyncht worden wären. Seine Tür stand offen, so daß ich ungehindert in sein Inneres blicken konnte. Es war leer. Durch eine Laune des Zufalls war es eines der wenigen Gebäude, die den Brand überstanden hatten. Nicht einmal seine Wände waren geschwärzt.
    Harmfeld schickte einen seiner Soldaten

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