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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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floß aus seinem Mund, tropfte das Kinn herab und versickerte vor seinen Füßen im Sand.
    Lancelot stolperte uns entgegen, fiel geradewegs in unsere Arme und hätte uns beinahe zu Boden gerissen.
    »Was ist los?« fragte Bill. »Was ist mit dem Krieger geschehen?«
    Lancelot starrte uns an, und in seinen Augen flackerte der Wahnsinn.
    »Er ist tot!« kreischte er. »TOT!«

    * * *

    Die Morgendämmerung färbte den Horizont blutrot und tauchte die Landschaft in unwirkliches Zwielicht, als die junge Squaw das Schlachtfeld erreichte.
    Der Kampf war vorüber, doch die stummen Zeugen kündeten mit ihrem Blut von den Schrecken des vorübergegangenen Tages.
    Das Gebiet am Little Bighorn River, vom Fluß bis zu den fernen Hügeln, war übersät mit den leblosen Körpern der Opfer. Custers gesamte fünf Kompanien, mit denen er Sitting Bulls Lager hatte angreifen wollen, waren gefallen; über zweihundert Mann. Custers Armeen hatten gegen die Übermacht der Sioux und Cheyenne nicht den Hauch einer Chance besessen. Sie waren in Sitting Bulls Falle gelaufen und in einer einzigen Stunde vernichtet worden.
    Es war ein Bild des Grauens. Auf beiden Seiten hatte es Verluste gegeben, und der Blick der Indianerin glitt entsetzt über die Leichen ihrer roten Brüder. Heiße Tränen trübten ihren Blick, als sie weiterstolperte, dem Zentrum dieses grauenvollen Feldes entgegen. Sie wußte, daß sie dort finden würde, was sie immer wieder leugnen, was sie sich einfach nicht eingestehen wollte.
    George war tot. Monahseetah hatte seine letzten Minuten miterlebt, als wäre sie bei ihm gewesen; sie hatte über all die Meilen hinweg gespürt, wie ihn die tödliche Kugel traf. Und doch wollte sie nicht daran glauben. Nicht, bevor sie ihn mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Ein leises Wiehern riß sie aus dem Universum aus Schmerz und Leid, in das sich ihr Geist zurückgezogen hatte. Ein Laut, der so schrecklich und klagend klang, daß Monahseetah zusammenfuhr und wie erstarrt stehenblieb.
    Als sich ihr Blick klärte und sie sich zögernd und ängstlich umsah, glaubte sie im ersten Moment, ein Trugbild zu erblicken, das ihr gequälter Geist ihr vorspiegelte.
    Etwa zwanzig Yards entfernt, inmitten der toten Körper, stand ein Pferd! Ein glatthaariger, hellbrauner Fuchs. Ein Pferd der weißen Soldaten, aus vielen Wunden blutend.
    Monahseetah erkannte den Naturzauber, sah das Zeichen, das die Götter ihrem Volk gaben. Die Schlacht war gewonnen, doch die Kraft des weißen Mannes war ungebrochen. Er würde weiterbestehen wie dieses Pferd, das allein das Massaker überlebt hatte – und er würde letztendlich den Sieg davontragen.
    Das Pferd wandte den Kopf und blickte sie an, und in seinen Augen stand ein fast menschlicher Funke.
    Hastig drehte Monahseetah sich um und eilte weiter. Plötzlich war ihr kalt, so entsetzlich kalt. Fröstelnd zog sie das graue Tuch fester um ihre Schultern, aber es war nur mehr eine sinnlose Geste. Sie wußte, daß nichts mehr ihren Körper wärmen konnte; niemals wieder.
    Sie war schon seit Stunden tot.
    Im gleichen Moment, als sie das Sterben ihres Geliebten gefühlt hatte, als das unsichtbare Band zerrissen war, das sie beide vereinte, war auch Monahseetah gestorben.
    Im Osten ging die Sonne auf, vertrieb die letzten Nebel der Nacht und tauchte das Feld des Grauens in warmes, helles Licht. Den Schrecken jedoch konnte sie nicht vertreiben; im Gegenteil. Die Helligkeit offenbarte, was die Nacht mit ihrem dunklen Mantel gnädig verhüllt hatte. Und sie zeigte Monahseetah, wohin sie sich wenden mußte.
    Der Wimpel der Siebenten Kavallerie wehte nur noch in Fetzen von der geknickten Fahnenstange. Einer der Soldaten mußte sie in den harten Boden gerammt haben, bevor er selbst fiel und unter dem Sternenbanner sein Leben aushauchte. So war sie zum Zeichen der Niederlage geworden, zum Mahnmal für den Wahnsinn dieses sinnlosen Krieges.
    George Armstrong Custer lag nur unweit der Fahne, umringt von den Kadavern seiner treuen Hunde, die ihm bis in den Tod gefolgt waren. Man hatte ihn entkleidet, aber nicht skalpiert. Sogar seine beiden Pistolen, mit denen er bis zum Schluß gekämpft hatte, lagen noch neben ihm im blutigen Gras. Ein Zeichen, daß er tapfer gestorben war.
    Die junge Squaw ließ sich neben ihm nieder und barg seinen Kopf in ihren Armen. Tränen rannen über ihre Wangen und fielen auf seine langen, goldenen Haare, die sie so geliebt hatte. Sie sah die Wunden nicht, die zwei Kugeln in Hinterkopf und Brust

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