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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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hinterlassen hatten. Sie sah nur sein Gesicht, das im Tode noch stolz und edel wirkte. Mit zitternder Hand berührte sie seine Wangen, seine bleiche Stirn, suchte ein letztesmal den geistigen Kontakt mit ihrem Geliebten –
    Und im gleichen Moment brach die Barriere in ihr, die seit seinem Tod jedes Gefühl außer Schmerz und Leid verdrängt und in die Tiefen ihrer Seele verbannt hatte. Mit einem Schlag erkannte sie, wer die Schuld trug an Custers Schicksal. Wessen Magie ihn in das Verderben geleitet hatte!
    Monahseetah schrie, und es war ein Ruf, der die Wirklichkeit zerschnitt und bis in das Reich der Toten vordrang. Ein magischer Schrei, mit aller Macht hervorgebracht, deren Monahseetah fähig war. Ein Schrei, der selbst die Götter erreichte.
    »Ich verfluche dich, Sitting Bull!« schrie sie. »Ich verfluche dich, Ta-tan-ka I-yo-ta-ke! Du hast ihn getötet, du allein! Mein eigenes Blut!«
    Sie ließ den toten Körper wieder zu Boden sinken und richtete sich taumelnd auf. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wie Blätter in einem Sturm durcheinander, und die Welt vor ihren Augen begann sich um sie zu drehen.
    »Verflucht sollst du sein!« Ihr wilder Schrei ging in ein ersticktes Schluchzen über, und sie brach wieder in die Knie, unfähig, ihren Leib länger aufrecht zu halten.
    Als sie nun über das Feld der Toten hinüberblickte zum Little Bighorn River, in die Richtung, in der sich das Lager ihres Onkels Sitting Bull befand, waren ihre Augen dunkel vor Haß.
    »Keine Ruhe sollst du finden«, flüsterte sie mit ersterbender Stimme. »Der Tod soll dein Begleiter sein, Ta-tan-ka I-yo-ta-ke! Ich werde dich finden, wo immer du auch bist. Dieses Bild des Todes soll von nun an in dir sein, auf ewig. Und eines Tages, Ta-tan-ka I-yo-ta-ke, werde ich zurückkehren und dich töten, wie du mir den Liebsten genommen hast.«
    Sie schaute auf zum Himmel, wo Wakan Tanka sein leuchtendes Auge auf sie niederscheinen ließ. Sie wußte, daß der Gott der Sonne ihr Flehen erhören würde.
    Dann sah sie wieder auf den Leichnam herab, der vor ihr auf dem blutgetränkten Boden lag, und seine gebrochenen Augen schienen sie fast glücklich anzulächeln.
    In diesen Sekunden vergaß Monahseetah das Kind, das in einem fernen Tipi auf seine Mutter wartete, vergaß ihr Volk, ihre Bestimmung, ihr Bestreben, mehr zu sein als eine einfache Squaw, vergaß alles, was Mazakootemane sie gelehrt hatte.
    »Ich komme, George«, flüsterte sie, griff mit einer entschlossenen Bewegung nach dem kleinen, schlanken Dolch, den sie im Gürtel trug, und setzte die silberne Klinge auf ihr Herz.

    * * *

    Für endlose, schreckliche Sekunden waren wir wie erstarrt, konnten unsere Blicke nicht lösen von der Gestalt des toten Kriegers unter dem Zelteingang. Erst Postlethwaites erneuter Schrei riß Bill und mich in die Wirklichkeit zurück.
    »Er... er ist gestorben, unter meinen Händen ist er gestorben«, kreischte der hagere Wissenschaftler. »Und dann... und dann –
    Er brach ab und schnappte nach Luft. Seine Lippen waren blau angelaufen, und sein Gesicht war eine einzige Fratze des Grauens. Er krallte die Finger in sein Hemd über der Brust, und ein schmerzhaftes Husten entrang sich seiner Kehle.
    Fast hätte ich zu spät reagiert.
    Postlethwaite hatte einen Herzanfall!
    Für einen Moment vergaß ich die Gefahr, in der wir schwebten. Blitzschnell griff ich nach einem kleinen Teil der Macht, die Shadow mir gegeben hatte, tauchte ein in Postlethwaites Geist und schaltete sein Denken aus. Dann tastete ich tiefer, erreichte das Herz und ließ Ströme reiner Magie durch seine Adern fließen.
    Lancelot Postlethwaite brach zusammen. Der Schock – diesmal nicht die Panik, die ihn fast um den Verstand (und um sein Leben) gebracht hätte, sondern eine Reaktion seines Körpers auf den magischen Eingriff – raubte ihm das Bewußtsein. Aber er würde leben; die Gefahr war gebannt. Zumindest diese...
    Obwohl es mir wie eine Ewigkeit erschien, war doch nicht mehr als eine einzige Sekunde vergangen, als ich den Blick von Lancelots Gesicht löste und wieder aufsah. Der untote Indianer war noch immer gut vierzig Schritt von uns entfernt, aber er kam näher, mit ungelenken, wie mechanisch wirkenden Schritten. Seine Züge waren im Todeskampf erstarrt und spiegelten auf grauenhafte Weise den Schrecken wider, den er in den letzten Sekunden seines Lebens empfunden haben mußte.
    Aber da war noch etwas anderes in seinem Blick; etwas, das sich über die Grimasse des Todes

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