Der Hexer - NR27 - Todesvisionen
geschoben hatte. Er erinnerte mich an den einer Schlange, die eben ihr hilfloses Beutetier erspäht.
Aber so ganz hilflos war ich weiß Gott nicht. Ich überließ Lancelot Bills Fürsorge, richtete mich auf und trat dem Indianer entgegen.
Für einen Moment blieb der Untote stehen, und ein kehliger, dunkler Laut kam über seine blutigen Lippen. Sekundenlang schien er einer lautlosen, bösen Stimme zu lauschen, die aus dem Nichts heranwehte. Dann hob er die Arme, kämpfte einen Augenblick lang um sein Gleichgewicht und setzte seinen Weg fort. Fünfzehn Schritte trennten uns noch.
»Bist du verrückt, Robert?« drang Bill Codys Stimme in mein Bewußtsein. »Wir müssen weg von hier, schnell. Komm her und hilf mir! Verdammt, hörst du nicht?«
»Ich weiß, was ich tue«, rief ich zurück, ohne mich umzudrehen. Meine Hand glitt in die Tasche meiner Jacke und umschloß den kleinen, fünfstrahligen Stern darin. Ich spürte, wie er sich unter meinem Griff erwärmte, wie er leise zu pulsieren begann, als ob sich mit einem Male Leben in dem porösen Stein befände. Jetzt fehlte mir nur noch der Zauber, den ich vor Jahren bis zur Agonie gebüffelt hatte wie ein Pennäler. Die magischen Formeln, die den Indianer – vereint mit der Kraft des Shoggotensternes – endgültig zurückschleudern würden in das Reich der Toten.
Und die mir – wie hätte es anders sein können – partout nicht einfallen wollten! Mir brach der kalte Schweiß aus. Fieberhaft durchforschte ich mein Unterbewußtsein, aber je verzweifelter ich nach den magischen Worten suchte, desto nervöser wurde ich.
Und der lebende Tote hatte mich fast erreicht! Drei Schritte noch... zwei...
Ich riß den Stern aus meiner Tasche, holte weit aus –
und plötzlich tauchte die Formel aus den Tiefen meines Geistes auf; ein flammendes Fanal, nach dem ich hastig griff.
»Ragaa artara ret uula –
Mein Ruf hatte den kleinen Stern begleitet, als er mit tödlicher Präzision durch die Luft raste und den Indianer mitten auf die Brust traf.
So lange jedenfalls, bis er mit einem dumpfen Laut abprallte und wirkungslos in den Sand fiel.
Ich hätte es wissen müssen! Ich verdammter Narr hätte es wissen müssen! Wie hatte ich nur so blind sein können? Natürlich war es die gleiche Kraft, die schon die Geisterhunde gelenkt hatte, welche nun dem Toten innewohnte. Aber mir blieb keine Zeit für Selbstvorwürfe. Ich hatte zu lange gewartet, war meiner zu sicher gewesen. Nun war es zu spät.
Der Indianer war heran, noch ehe ich herumfahren und mich in Sicherheit bringen konnte. Seine Hände, zu Klauen verzerrt, zuckten vor und krallten sich um meine Arme. Ich warf mich mit aller Kraft zurück, aber genausogut hätte ich versuchen können, einen Granitblock von der Stelle zu bewegen.
Der Rote blieb einfach stehen, und ich kugelte mir bei meinem Versuch beinahe die Arme aus den Gelenken. Ein heißer Schmerz durchzuckte meinen Oberkörper, und für Sekunden wurde mir schwarz vor Augen.
Das nächste, was in mein Bewußtsein drang, war Buffalo Bills Schrei. Er ließ Postlethwaite zu Boden sinken, riß seinen Colt aus dem Holster und war mit einem Sprung neben mir.
»Nimm den Kopf zur Seite...«, keuchte er atemlos, zog den Schlagbolzen der Waffe mit einem trockenen Klicken zurück und preßte den Lauf gegen die Schläfe des Untoten.
Wenigstens wollte er es.
Der Indianer ließ meinen rechten Arm los und schlug mit einer Schnelligkeit, die seinen bisherigen Bewegungen Hohn sprach, nach Bills Revolver.
Die Waffe explodierte in Codys Hand. Die Faust des lebenden Toten hatte die acht Patronenkammern getroffen und mit einem Schlag zerfetzt. Bill Cody brüllte auf und taumelte zurück, während der Revolver – oder das, was von ihm übrig war – in hohem Bogen davonflog.
Und doch gab mir sein beherztes Handeln eine Chance – meine letzte. Notgedrungen hatte der Untote einen Arm loslassen müssen, und als der grelle Pulverblitz die Dunkelheit zerriß und die glühende Druckwelle mein Gesicht traf, spürte ich, wie sich auch sein zweiter Griff lockerte; nicht viel, aber doch genug, es zu riskieren.
Ich drehte mich um die eigene Achse, stemmte ein Knie gegen seine Rippen – und kam mit einem Ruck frei!
In den weichen Sand zu stürzen, hastig zur Seite zu rollen und wieder auf die Füße zu springen, war eins. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie auch Buffalo Bill sich aus der Reichweite des Indianers brachte. »Weg hier!« brüllte er überflüssigerweise und deutete auf
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