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Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Titel: Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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geöffnet. Es goß zwar nicht in Strömen, wohl aber in Form jenes penetranten Nieselregens, der einem das ständige Gefühl gab, unversehens in ein klebriges, kühles Dampfbad geraten zu sein. Nebelschwaden trieben durch die Straßen und ließen Passanten und Pferdekutschen zu huschenden grauen Schemen werden. Düstere Wolken verbannten den Gedanken, daß es so etwas wie eine Sonne überhaupt gab, ins Reich der Legende.
    Warum es mich ausgerechnet an diesem unfreundlichen Tag aus meinem Haus am Ashton Place getrieben hatte, wußte ich selbst nicht. Wahrscheinlich hatten die Geschehnisse der letzten Woche nicht gerade dazu beigetragen, Andara-House in mein Herz zu schließen. Obgleich das Haus mir das Leben gerettet hatte, war ich von dem Gedanken beseelt, seine düsteren Mauern für einige Zeit zu verlassen und durch die Straßen zu wandern.
    London ist eine riesige Stadt. Ich lebte noch nicht lange genug hier, um jederzeit auf Anhieb sagen zu können, in welchem Teil der Millionenstadt ich mich befand. Ich hatte mich allein vom Zufall und meinen Füßen leiten lassen und ging jetzt eine Straße entlang, in der ich noch nie gewesen war.
    Es war eine Häuserschlucht irgendwo in der City, trotz des Regens voll von pulsierendem Leben. Die Menschen drängten sich auf dem nassen Trottoir, in den Pubs, Gasthäusern und Geschäften.
    Eine seltsame Unruhe erfüllte mich. Es war um die frühe Mittagsstunde; ich hatte gerade ausgiebig gefrühstückt und meinen Butler angewiesen, den Lunch heute ausfallen zu lassen. Ich hatte also genügend Zeit, zudem während der letzten Tage niemand mehr versucht hatte, mir einen Mord in die Schuhe zu schieben oder mich gegen einen mechanischen Doppelgänger auszutauschen. Dennoch hastete ich, ohne es eigentlich bewußt zu wollen, die Straße entlang wie jemand, der befürchten mußte, einen überaus wichtigen Termin zu versäumen. Gewaltsam zügelte ich meine hektische Ungeduld und zwang mich dazu, die Füße so gemessen voreinander zu setzen, wie es sich für einen Gentleman geziemte. Aus Gründen, für die ich keine Erklärung fand, fiel mir dies ausgesprochen schwer. Und nach wenigen Schritten schon fiel ich erneut in eine schnelle Gangart zurück. Ich wollte mich zur Besinnung rufen... aber es ging nicht mehr! Meine Füße schienen sich förmlich zu verselbständigen.
    Nach etwa zweihundert Yards passierte ich ein Gasthaus. Das heißt, ich wollte es passieren... und blieb, wie von einer unsichtbaren Hand gestoppt, vor der Eingangstür stehen. Und ehe ich mich versah, hatte ich bereits die Schwelle erreicht und die Klinke heruntergedrückt.
    Zwischen Tür und Angel kam ich endlich zu Bewußtsein. Was, zum Teufel, machte ich da? Dieses Gasthaus – Harvey’s stand auf einem hölzernen Schild über dem Eingang – war mir völlig unbekannt. Und da ich weder Hunger noch Durst verspürte, lag nicht der geringste Grund vor, es zu betreten. Dennoch war ich im Begriff, eben dies zu tun.
    Ich biß die Zähne zusammen, riß mich geradezu von der Tür los und trat wieder auf die Straße. Mühsam Fuß vor Fuß setzend, entfernte ich mich vom Harvey’s.
    Ich war vielleicht zehn Schritte gegangen, als mir Übelkeit aus meinem Magen die Kehle hinaufkroch. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, und ich merkte, daß ich schwankte wie jemand, der zu tief ins Whiskyglas geschaut hat. Dabei hatte ich heute noch keinen einzigen Schluck Alkohol zu mir genommen.
    Alle Kraft zusammennehmend, ging ich weiter. Einige der Passanten warfen mir verwunderte Blicke zu – offenbar sah ich auch so aus, wie ich mich fühlte. Ein junger Mann sprach mich sogar an und fragte, ob er mir irgendwie helfen könnte. Ich schüttelte nur stumm den Kopf und setzte meinen Weg fort.
    Aber ich kam nicht weit. Eine Art Magnet schien an mir zu zerren, schien mich zurückreißen zu wollen.
    Zurück zum Harvey’s!
    Augenblicke lang kämpfte ich noch gegen das unerklärliche Geschehen an. Dann jedoch, als die Übelkeit immer stärker wurde, gab ich den Kampf auf.
    Und kaum hatte ich den Widerstand gegen mich selbst eingestellt, als ich mich auch schon auf dem Absatz umdrehte und den Weg zurückging, den ich gerade gekommen war. Schnurstracks steuerte ich auf die Eingangstür des Harvey’s zu und betrat das Gasthaus, diesmal, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern.
    Auf Anhieb erkannte ich, daß es sich um ein ausgesprochen nobles Restaurant handelte. Ein dicker, dunkelroter Berberteppich bedeckte den Boden, schwere

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