Der Hexer - NR37 - In der Festung des Dschinn
er.
Nicht weit von der Stelle entfernt, an der ihr die Stadt betreten habt, antwortete die Stimme in seinem Kopf. Ich habe einen Weg gewählt, der euch zurück in die Nähe eurer Pferde bringt. Geht nach Norden.
Sie gehorchten. Es war wirklich nicht sehr weit – nach weniger als einer halben Stunde tauchte das Dünental mit den schwarzen Ruinen vor ihnen auf. Ihre Pferde standen noch so da, wie sie sie zurückgelassen hatten.
Aber von Gouvin du Tourville war keine Spur zu entdecken.
Während Renard im Laufschritt zu den Tieren hinabeilte, um ihre Fußfesseln zu lösen und sie zu holen, rief Guillaume mehrmals laut Gouvins Namen. Aber die einzige Antwort, die er bekam, war das Flüstern des Windes und das leise Rascheln des Sandes, mit dem er spielte.
Es hätte des entsetzten Ausdruckes, der bei seiner Rückkehr auf Renards Zügen lag, nicht einmal mehr bedurft, Guillaume zu sagen, was geschehen war.
»Er ist tot, nicht?« fragte er.
Renard nickte, reichte ihm schweigend den Zügel seines Pferdes und starrte an ihm vorbei in die Wüste hinaus. »Ja«, sagte er, sehr leise und sehr sehr bitter. »Er muß sich tapfer gewehrt haben, so, wie es aussieht. Aber sie haben ihn erwischt. Diese verdammten Ungeheuer.«
Guillaume wollte antworten, sagte aber dann doch nichts, sondern schwang sich ohne ein weiteres Wort auf den Rücken seines Pferdes und griff nach den Zügeln, ritt aber noch nicht los.
Und nun laßt mich frei, meldete sich eine leise Stimme hinter seiner Stirn. Sie klang ungeduldig, beinahe drohend. Ich habe Wort gehalten. Ihr seid frei.
»Und unser Bruder ist tot!« erwiderte Renard heftig. »Ein hoher Preis für deine Freiheit.«
Er wäre noch am Leben, hätte er euch begleitet, antwortete die Stimme kalt. Er starb den Tod aller Feiglinge. Und es ist nicht meine Schuld. Ich hätte ihn nicht warnen können, selbst wenn ich es gewollt hätte! Laßt mich frei!
»Nein«, antwortete Guillaume hart. »Unser Bruder ist nicht gestorben, nur damit du deine Freiheit zurückerlangst, Geschöpf des Teufels. Du mußt etwas für uns tun. Danach gebe ich dir die Freiheit – vielleicht.«
Was ihr verlangt, ist unmöglich. Das Auge des Satans ist Teil der Schwarzen Stadt. Ein Teil jener Magie, die mich bannte. Meine Macht ist groß, aber nicht so groß. Ihr ahnt nicht, mit welchen Gewalten ihr euch einlassen wollt! antwortete die Stimme.
»Du... du weißt, warum wir hergekommen sind?« fragte Guillaume verwirrt.
Ein lautloses, gedankliches Lachen klang hinter seiner Stirn auf. Nichts, was du denkst, ist mir verborgen, Sidi, antwortete die Stimme. Doch dein Ansinnen ist unmöglich. Ich bin nur ein kleiner, schwacher Geist. Dem Auge des Satans wäre allenfalls ein wahrer Magier gewachsen. Du siehst, du kannst mich getrost freigeben. Meine Gefangenschaft nutzt euch nichts.
»Deine Freiheit auch nicht!« schrie Guillaume wütend. Der Gedanke, daß alles umsonst gewesen, daß Bruder Gouvin für nichts und wieder nichts gestorben sein sollte, machte ihn rasend. »Wenn es so ist, dann werde ich dich zurücklassen. Meinetwegen kannst du in der Wüste bleiben, bis der Jüngste Tag hereinbricht!« Außer sich vor Zorn riß er die Flasche von seinem Gürtel und holte aus, um sie in die Wüste hineinzuschleudern.
Halt, Sidi! flehte die Stimme. Ich sagte, ich kann euch nicht in den Besitz des Auges bringen. Doch ich kann euch helfen!
Guillaume erstarrte. Einen Moment lang zitterte seine Hand so heftig, daß er die Flasche beinahe gegen seinen Willen fallengelassen hätte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, als er den Arm senkte. »Wie?« fragte er.
Nur ein wahrer Magier vermag Nizar zu schlagen, wisperte die Stimme. Ein Mann großer zauberischer Macht. Ich weiß einen solchen Mann. Einen, der Nizar nicht wohlgesonnen ist, denn der Zauberer ist für den Tod vieler seiner Freunde verantwortlich. Gelingt es euch, ihn gegen Nizar zu stellen, könnt ihr das Auge erlangen.
»Dann bring uns zu ihm!« sagte Guillaume gepreßt. »Doch wenn du diesmal nicht die Wahrheit sagst...«
Ich lüge niemals, antwortete die Geisterstimme. Reitet nach Westen.
* * *
Spät am Nachmittag wurde uns zu essen gebracht: Schalen mit einem unappetitlich aussehenden, aber wohlschmeckenden grauen Brei, dazu so viel Wasser, wie wir nur trinken wollten. Zwei schwarzverhüllte Beduinenfrauen kühlten meine Stirn mit nassen Tüchern, und auch mein Leidensgenosse, der bisher außer einem gelegentlichen Stöhnen keinen Laut von sich
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