Der Hexer - NR38 - Das Auge des Satans
mich in einem großen Saal wieder, dessen Decke durch eine riesige Kuppel aus Kupfer gebildet wurde.
Etwas Schwarzes, Entsetzliches griff nach mir, versuchte mich mit peitschenden Tentakelarmen zu umschlingen, tastete nach meiner Seele, meinem Verstand, meinem Körper...
Im buchstäblich allerletzten Moment gelang es mir, die geistige Nabelschnur zu kappen, die mich mit dem Monster verband, was immer es war. Keuchend sank ich auf den Diwan zurück, versuchte die entsetzlichen Bilder aus meinem Bewußtsein zu verdrängen und wartete, bis meine Hände aufgehört hatten, wie verrückt zu zittern. Auf diesem Wege würde ich jedenfalls nicht aus der Festung entkommen, das war mir klar.
Aber es gab ja noch einen anderen. Auch, wenn er mir noch weniger gefiel.
Schweren Herzens richtete ich mich auf, trat zur Tür und öffnete sie.
Im ersten Moment sah ich nichts; nichts als die Schwärze, die so zu dieser Festung gehörte wie ihre üble Ausstrahlung und die Angst, die sich in ihren Mauern eingenistet hatte. Dann glaubte ich, ein Rascheln zu hören; Sekunden später gewahrte ich eine schattenhafte Bewegung. Nizars Mumienkrieger waren also noch da.
Ich überlegte einen Moment, ob ich hinausgehen und mich ihnen dort zum Kampf stellen sollte, wo ich wenigstens den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite hatte, entschied mich dann aber dagegen. Was nutzte mir die größte Überraschung, wenn ich den, den ich überraschte, nicht einmal sah?
Also trat ich einen Schritt von der Wand zurück, streckte das Bein aus und rief schneidend: »Wache!!!«
Die Reaktion ließ keinen Augenblick auf sich warten. Trappelnde Schritte wurden laut, dann stürmten die beiden Mumienkrieger dicht hintereinander in den Raum.
Der erste stolperte geradewegs über meinen vorgestreckten Fuß, versuchte auf den spiegelglatten Steinfliesen vergebens, mit Gesicht und Kniescheiben zu bremsen, und knallte mit voller Wucht gegen die Wand. Der zweite kollidierte reichlich unsanft mit der Tür, die ich blitzschnell wieder zuwarf.
Allerdings nur, um sie eine Sekunde später wieder aufzureißen und ihn vollends über den Haufen zu rennen.
Noch während er versuchte, wieder auf die Beine – oder das, was davon übrig war – zu kommen, jagte ich den Gang hinunter, spürte plötzlich die oberste Stufe einer in der Dunkelheit verborgenen Treppe unter den Füßen und überwand die nächsten drei mit wild rudernden Armen, ehe ich recht unsanft auf hartem Granit aufschlug, mich acht-, neun-, zehnmal überschlug und schließlich von einer ebenfalls unsichtbaren Wand gebremst wurde. Von schierer Angst getrieben, sprang ich wieder hoch, streckte beide Arme vor und rannte weiter.
* * *
Mitternacht war längst vorüber, aber die beiden Tempelherren ritten noch immer. Sie waren langsamer geworden, sehr viel langsamer, denn die Kräfte ihrer beiden Tiere begannen jetzt merklich nachzulassen, aber Guillaume de Saint Denis trieb sie unbarmherzig weiter. Er mußte Nizars Festung erreichen, ehe die Sonne aufging.
Denn er wußte, daß sie dort auf ihn wartete.
* * *
Ich erspare mir die weiteren unerfreulichen Einzelheiten meiner Flucht an dieser Stelle, denn es gibt nicht viel zu berichten – ich schätze, daß ich eine halbe Stunde durch die pechschwarzen Eingeweide von Nizars Alptraumburg irrte, vollkommen blind und nur auf das angewiesen, was mir mein Gehör und meine tastend ausgestreckten Händen verrieten. Nach einer Weile hörte ich auf zu rennen und ging in vorsichtigem Schrittempo weiter. Trotzdem prallte ich noch gegen ein Dutzend Wände und kugelte zwei oder drei Treppen hinunter. Es glich einem Wunder, daß ich mir dabei nicht den Hals brach. Schließlich hielt ich erschöpft inne und verkroch mich in eine Wandnische, die ich ertastete. Ich blieb sehr lange dort hocken, erschöpft und in düsteres Brüten versunken. Meine Lage war aussichtsloser denn je. Nizars Burg war groß genug, daß ich den Rest meines Lebens – die paar Stunden, die mir noch blieben – blind in ihr herumstolpern konnte, ehe ich mir entweder irgendwo das Genick brach, den Schädel einrannte oder von Nizars Soldaten aufgespürt wurde, die ja offensichtlich in dieser Dunkelheit sehen konnten. Der Gedanke, auf eine derart unwürdige und überflüssige Weise ums Leben kommen zu sollen, erfüllte mich mit hilfloser Wut. Zum Teufel, ich war dazu bestimmt, die deutsche Horror-Szene zu erobern und meinen Schöpfer zum Millionär zu machen, nicht, von einem Provinzzauberer ermordet
Weitere Kostenlose Bücher