Der Hexer - NR38 - Das Auge des Satans
Körper, zum Teil mit Fell, zum Teil mit dunkelbrauner Haut bedeckt, zuckte, als bewegten sich kleine schnelle Insekten unter seiner Haut. Blut lief aus ihren Augenwinkeln.
Plötzlich tat sie mir nur noch leid. Ich verspürte nicht einmal mehr Zorn, obgleich sie noch vor wenigen Sekunden versucht hatte, mich umzubringen.
»Sidi, ich... flehe dich... an«, krächzte sie. »Gib mir... den Stein!«
Ich reagierte noch immer nicht, senkte den Fuß aber auch nicht weiter auf das Halsband herab, und so begann sie, unendlich mühsam auf mich zuzukriechen. Ihre Bewegungen waren unsicher, zitternd und schwerfällig, aber sie kroch weiter. Und ich sah, wie sie an Kraft gewann, mit jedem Zoll, den sie sich mir näherte. Schließlich war ihre rechte, zu einer entsetzlichen Skelettkralle verkrümmte Hand nur noch wenige Fingerbreit von meinem Fuß entfernt. Ihre Stimme klang schon kräftiger.
»Gib mir das Halsband, Sidi. Sonst soll dich der Schejtan holen!« fauchte sie.
Und sprang.
Ihre Hand schloß sich um meinen Fuß; die andere zuckte in einer schier unmöglich erscheinenden Bewegung nach oben und grapschte nach meinem Gesicht.
Aber ich hatte den Angriff erwartet. Blitzschnell fuhr ich zurück, riß meinen Fuß los und klaubte das Halsband vom Boden hoch, ehe ich mit zwei, drei Sätzen die gesamte Breite des Raumes zwischen sie und mich brachte.
Rubin drehte sich schwerfällig zu mir um. Doch nun besaß sie nicht mehr die Kraft, mir zu folgen. Mittlerweile war der Verfall ihres Körpers in erschreckender Weise fortgeschritten. Ihre Haut spannte sich wie rissiges Pergament über ihren Knochen, das Fell wirkte struppig und begann auszufallen, und ihr Kopf war eine entsetzlich deformierte Masse, jetzt weder Mensch noch Tier. Anstelle der tödlichen Reißzähne grinste mich ein fauliges Stummelgebiß zwischen ihren Lippen hindurch an. Ihr rechtes Auge war stumpf und blind.
Eine Sekunde später sank sie ächzend in sich zusammen. Und der Zerfall ging weiter.
Ich wandte mich ab, schloß für einen Moment die Augen und wartete, bis die fürchterlichen Laute, die auf der anderen Seite des Raumes erklangen, allmählich abnahmen. Als ich wieder zu ihr hinsah, lag nur noch ein Häufchen grauer Asche am Boden.
Gleichzeitig wurde das Halsband in meiner Hand glühendheiß. Ich schleuderte es instinktiv beiseite. Es fiel genau auf die Kleider der Löwenfrau und flammte noch einmal auf, wie ein winziger Stern, der seine gesamte Energie mit einem Schlag abgab. Der Stoff loderte auf und zerfiel. Und mit ihm der Stein.
Ich starrte Rubins Überreste an und atmete erleichtert auf. Diesmal war es verdammt knapp gewesen. Nizars Geheimwaffe hätte wirklich nur zwei, drei Herzschläge länger aushalten müssen, um mich endgültig zu erledigen.
Trotzdem sah meine Lage alles andere als rosig aus – ich mochte vielleicht Rubin entkommen sein, doch ich war noch immer ein Gefangener in dieser Festung des Dschinn. Die entscheidende Auseinandersetzung mit Nizar stand erst noch bevor.
Wenn es überhaupt dazu kam, flüsterte ein besonders gehässiger Teil meiner Gedanken. Ich hatte einen von Nizars Schergen besiegt, und wenn ich ganz ehrlich war, so wohl mehr durch Zufall und Glück als aus irgendeinem anderen Grund. Um aus dieser Festung zu entkommen und nebenher auch noch Letitia und Ali zu befreien, brauchte ich nicht nur ein, sondern gleich ein ganzes Dutzend Wunder. Oder ein bißchen Hexerei... Es war sonderbar: So logisch mir dieser Gedanken erschien – es war nicht mein Gedanke. Ich hörte die Worte ganz deutlich, wie ein lautloses Flüstern, das direkt in meinem Denken erscholl, aber eindeutig von außerhalb kam.
Als gäbe es da eine unsichtbare Macht, die jeden meiner Schritte genauestens verfolgte.
Und plötzlich, als wäre ein unsichtbarer Schleier von meine Gedanken gezogen worden, fiel mir noch mehr auf. Kleinigkeiten, denen ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte – wie zum Beispiel der Umstand, daß ich das Zauberkunststück am Morgen, mit dem ich die Beni Ugad in die Flucht geschlagen hatte, normalerweise aus eigener Kraft niemals bewerkstelligen hätte können.
Oder die Frage, was zum Teufel ich in dieser verdammten Festung überhaupt tat...
Eine Zeitlang blieb ich einfach stehen und lauschte in mich hinein, von der vagen Hoffnung erfüllt, daß sich die lautlose Stimme noch einmal melden und mir einen Weg aus dieser Falle weisen würde.
Aber es blieb bei einer Hoffnung. Der unsichtbare Beobachter schwieg, und auch
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