Der Hexer - NR38 - Das Auge des Satans
Stück weit von mir wegdrücken konnte. Doch ich wußte, daß ich der Kraft dieses sehnigen Raubtierkörpers nicht lange widerstehen konnte. Rubins Hinterläufe wühlten wie besessen auf dem Diwan; die messerscharfen Krallen zerfetzten Kissen und Stoff wie dünnes Pergament. Wenn sie auf die Idee kam, das gleiche mit meinem Bein zu machen...
Die Löwin fauchte wütend, riß den Kopf zurück und entschlüpfte so meinem Griff. Plötzlich hatte ich nur noch ein wenig ausgerissenes Fell zwischen den Fingern.
Und das Halsband mit dem riesigen Rubin...
Die Wirkung übertraf meine kühnsten Erwartungen. Ich hatte gehofft, daß das Halsband zu einem Teil für ihre Kraft verantwortlich war, aber was ich sah, ließ mich vor Entsetzen erstarren.
Rubin schrie auf, ein Schrei, der eine entsetzliche Mischung zwischen Tier- und Menschenstimme war. Wie von einem glühenden Dolch durchbohrt, bäumte sie sich auf, fiel rücklings von mir herunter und blieb zuckend vor dem Diwan liegen. Ihr Körper begann sich abermals zu verwandeln.
Aber sie wurde nicht mehr zur Menschenfrau, sondern zu einem entsetzlichen Mischwesen: halb Löwin, halb Frau. Sie krümmte sich und stieß wimmernde, halb tierische, halb menschliche Laute aus.
Aber diese Phase des Schmerzes währte nur einen Augenblick, dann fuhr sie mit einem kreischenden Schrei hoch. Mit einem Schlag stieß sie mich zurück und fegte mich mit einem zweiten durch den Raum, daß ich mit dem Kopf voran unsanft gegen die Wand knallte.
Mit einem Satz war sie wieder bei mir und deckte mich mit einem Hagel von Schlägen ein. Instinktiv riß ich die Hände vor das Gesicht, aber ihre Schläge prasselten weiter auf mich herab, so schnell und hart, daß mir die Sinne zu schwinden drohten. Welche geheimnisvollen Kräfte das Halsband auch beinhalten mochte – sie waren keineswegs geschwunden, nachdem ich es ihr abgerissen hatte.
Ich begriff, daß ich höchstens noch ein oder zwei dieser mörderischen Hiebe überstehen würde, versuchte zurückzuschlagen und kassierte dafür einen Kniestoß, der mir vollends die Luft aus den Lungen trieb. Ich krümmte mich vor Schmerz, spürte ihre Hand über meinen Nacken hinwegpfeifen und griff danach. Ein kurzer, harter Ruck, und Rubin und ich landeten gleichzeitig auf dem Boden.
Nicht, daß mir das viel genutzt hätte. Die Löwenfrau schien in regelrechte Raserei verfallen zu sein, nachdem ich ihr das Halsband heruntergerissen hatte. Und sie bot einen Anblick, der mich schier vor Grauen lähmte – ein Teil ihres Körpers und Teile ihres Gesichtes waren wieder menschlich geworden, aber eben nur Teile. Was ich sah, war ein entsetzlicher Zwitter, halb Mensch, halb Löwe, ein verunstaltetes, verwachsenes Ding, das schauerliche Töne ausstieß und sich rasend schnell, aber nichtsdestotrotz sehr ungelenk bewegte.
Ich versuchte auf die Füße zu kommen, taumelte unter einem weiteren Hieb zurück und stürzte rücklings zu Boden. Sofort setzte Rubin nach, warf sich mit ihrem vollen Körpergewicht auf mich und versuchte, mir mit ihren Fingernägeln die Augen auszukratzen. Dann traf ihre Hand die meine, und der Hieb riß mir das Halsband aus den Fingern und ließ es quer durch den Raum fliegen.
Rubin erstarrte. Ich konnte direkt sehen, wie alle Kraft aus ihrem Körper wich. Ein entsetzlicher, röchelnder Laut drang aus ihrer Kehle. Mit plötzlich sehr müden Bewegungen kroch sie von mir herunter, versuchte auf die Füße zu kommen und schleppte sich in die Richtung, in der das Halsband verschwunden war.
Und endlich begriff ich. Nizars magischer Rubin gab ihr noch immer Kraft, auch wenn sie ihn nicht unmittelbar am Körper trug. Aber diese Kraft nahm rasend schnell ab, wenn die Entfernung größer als wenige Inches war.
Blitzschnell sprang ich auf, packte das schreckliche Zwitterwesen im Nacken und stieß es davon, in die entgegengesetzte Richtung und so heftig, daß es haltlos nach hinten kippte und mit zuckenden Gliedmaßen liegenblieb.
Mit einem einzigen Satz durchquerte ich den Raum, blieb über dem Halsband stehen und hob den Fuß, wie um es zu zermalmen. Rubin erstarrte.
»Nicht, Sidi!« wimmerte sie. »Ich flehe dich an, tu es nicht!«
Und ich zögerte tatsächlich.
Das Wesen, das vor wenigen Augenblicken noch eine Bestie und davor eine berückend schöne Frau gewesen war, wand sich unter Krämpfen am Boden. Blutiger Speichel lief aus seinem Mund, einem Mund, der eine entsetzliche Mischung zwischen Menschenmund und Tiermaul darstellte. Ihr
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