Der Hexer - NR42 - Die vergessene Welt
jedem, den ich geliebt hatte, den Tod gebracht, auf die eine oder andere Weise.
»Wenn sie stirbt...«, begann ich, wurde aber sofort wieder von Madur unterbrochen.
»Noch ist sie nicht tot. Wir haben Glück, Robät.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Wasserschlauch und deutete mit der anderen zum See zurück. »Ich traf auf eine Sree-Patrouille. Sie schicken ein Boot. Wenn uns die Ancen-Honks nicht im letzten Moment noch finden, sind wir in wenigen Stunden in Conden. Unsere Heilkundigen werden sich um das Mädchen kümmern. Wenn sich herausstellt, daß du wirklich der bist, für den du dich ausgibst«, fügte er hinzu. »Wenn nicht, wäre es besser für sie, du ließest sie hier zurück. Hier stirbt sie wenigstens schnell.«
Es war seltsam – trotz der unverblümten Drohung, die seine Worte darstellten, erfüllten sie mich mit einem Gefühl von Freundschaft. Madur war hart, aber er war nicht grausam, das spürte ich einfach. Ich war sicher, daß wir Freunde hätten werden können, hätten wir uns unter anderen Umständen kennengelernt.
* * *
Das Boot kam eine halbe Stunde später. Es war ein langgestreckter, seltsam flachrumpfiger Kahn, der von zwei kräftigen Männern gerudert wurde, die die gleichen stachelbewehrten Lederrüstungen trugen wie Madur. Ein dritter, gleichartig gekleideter Krieger stand in seinem Bug. Er sprang mit einem federnden Satz ans Ufer, noch ehe das Boot vollends angelegt hatte, brach rücksichtslos durch das Unterholz und warf Madur einen fragenden Blick zu. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete Madur gereizt. »Wenigstens noch. Aber das kann sich ändern, wenn du weiter so herumbrüllst. Willst du, daß die Ancen-Honks dein Geschrei hören? Wir sind noch längst nicht in Sicherheit.« Er stand auf, deutete mit einer Kopfbewegung auf Sill und machte eine befehlende Handbewegung. »Trag sie ins Boot.«
Der Mann, offensichtlich ein Untergebener Madurs, gehorchte wortlos, während Madur geduldig wartete, bis auch ich meine geschundenen Muskeln dazu gezwungen hatte, sich noch einmal zu bewegen, und auf den Kahn zuhumpelte.
Ohne ein weiteres Wort legten wir ab und ruderten los.
Madur und seine drei Begleiter erwiesen sich als sehr schweigsam, während der Kahn auf die Seemitte hinaussteuerte. Aber ich spürte die Anspannung, die von ihnen Besitz ergriffen hatte. Und ich sah die schnellen, nervösen Blicke, die sie nicht nur zum Ufer zurückwarfen, wo die Ancen-Leute warten mochten, sondern auch immer wieder auf die Wasseroberfläche. Offensichtlich war dieser See nicht ganz so friedlich, wie es im ersten Moment den Anschein hatte.
Aber wir hatten Glück. Mein Autor, der normalerweise keine Gelegenheit verstreichen ließ, mich in die Bredouille zu bringen, schien einen nachsichtigen Tag zu haben, denn wir erreichten das jenseitige Ufer unbehelligt, nach einer guten Stunde Fahrt.
Die Conden-Seite des Dschungels sah um keinen Deut besser aus als das Ancen-Ufer. Die Büsche und Bäume standen höchstens noch dichter, wenn das überhaupt noch möglich war, und unser Boot glitt gute zehn Minuten dicht am Ufer entlang, ehe sich überhaupt eine Gelegenheit bot, anzulegen.
Madur sprang mit einem ungeduldigen Satz an Land, der das ganze Gefährt zum Schaukeln brachte, verschwand im Unterholz und kam wenige Augenblicke später zurück, nicht mehr allein, sondern in Begleitung zweier weiterer Gestalten, von denen allerdings nur eine ein Mensch war.
Der andere war ein aufrecht gehender Riesensalamander. Zumindest hielt ich ihn im ersten Moment dafür.
Er war nicht ganz so groß wie Madur und seine Begleiter, aber auch nicht wesentlich kleiner, dabei aber so breitschultrig, daß er schon fast mißgestaltet wirkte. Sein spitzschnauziges Reptiliengesicht war schwarz und glänzte, als wäre es mit Fett eingerieben. Und er trug eine Rüstung, Stiefel und einen Waffengürtel, an dem ein gewaltiges Schwert, ein noch gewaltigerer Morgenstern und ein ganzes Sammelsurium etwas kleinerer, aber kaum weniger tödlicherer Mordinstrumente hingen.
»Was... was ist das?« stammelte ich, unfähig, den Blick von der Echsengestalt zu nehmen.
Madur runzelte unwillig die Stirn. »Hast du noch nie einen Sree gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf, stand vorsichtig in dem schwankenden Boot auf und griff nach seiner Hand, die er mir hilfreich entgegenstreckte.
»Ist er... gefährlich?« fragte ich stockend.
»Für Ancen-Leute schon«, antwortete Madur trocken.
Der Sree lachte leise und starrte mich aus
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