Der Hexer - NR43 - Revolte der Echsen
Thul Saduun verlangt hatte. Doch es geschah so plötzlich und unerwartet für ihn, daß er sich erst auf die neue Situation einstellen mußte.
Mir blieben nur Sekunden.
Für den Bruchteil eines Herzschlages sah ich den Thul Saduun so, wie er wirklich war: Eine gigantische, zyklopische Gestalt, deren Gesicht von einem faustgroßen blinden Auge beherrscht wurde, unter dem ein scharfkantiger Papageienschnabel hervorragte. Aus dem oberen Teil des grotesk verzerrten Rumpfes wuchsen Dutzende sich windender, peitschendünner Tentakel hervor, wie die Adern aus einem ins Riesenhafte vergrößerten Herzen.
Dann war ich bei dem Sree angelangt, der eine ganz besondere Kriegsbeute in seinen Echsenfingern hielt – meinen Stockdegen, den ich bei dem Überfall im Dschungel verloren hatte.
Ihm den Degen zu entreißen und wieder herumzufahren, war eins. Im nächsten Moment flog die magische Waffe meines Vaters auf das Tor zu, den Kristallknauf mit dem eingeschmolzenen Shoggotenstern voran.
Ich wußte: wenn der Thul Saduun verletzlich war, dann nur in diesem einen Moment, da sich sein amorpher Körper materialisierte, da seine unwirkliche, geisterhafte Existenz sich wandelte in Fleisch und Blut.
Daß ich ihn nicht vernichten konnte, war mir klar. KYR war ein Schattenfürst, einer der mächtigsten Thul Saduun; ihn zu töten hätte es weit größerer Energien bedurft als der meines Stockdegens.
Doch es gab andere Wege, ein Wesen wie ihn zu bezwingen. Ihn zurückzuschleudern in seinen Kerker zwischen den Dimensionen, genügte mir vollauf. Es würde lange dauern, vielleicht Jahrtausende, bis er sich von dem magischen Schlag erholt haben würde.
Der Stockdegen traf das Tor in dem Moment, als KYR sich anschickte, es zu verlassen. Ein Licht, stärker noch als das der Sonne, flammte auf, als sich die magischen Energien des Shoggotensternes mit denen des Machtkristalls vereinten.
Es sah aus, als würde sich das Tor aufblähen, um den Thul Saduun herum neu entstehen und ihn verschlingen. Es begann zu flackern, dann schoß ein greller Blitz aus seinem Zentrum hervor. Für Mereda, die sich die ganze Zeit über nicht von der Stelle gerührt hatte, kam alles zu plötzlich. Der Blitz traf sie und verbrannte sie binnen eines Sekundenbruchteiles zu Asche, zuckte weiter und hüllte die Gestalt des Meistermagiers in flammende Helligkeit.
Nalaas schrie gellend auf und taumelte haltlos zurück. Doch er fiel nicht. Ein zweiter Blitz zuckte aus dem Tor und schleuderte ihn durch die offene Pforte ins Freie. Ein Feuersturm raste zur Decke empor, durchbrach sie und verzehrte die Kraftlinie, die den Kristall mit der Kuppel verbunden hatte.
Der Turm wankte. Dumpfe Explosionen klangen auf; ein Zittern durchlief die morschen Mauern. Noch einmal schrie Nalaas auf, riß die Arme in einer letzten, verzweifelten Bewegung in die Höhe. Die Glutlohe hüllte seinen Körper ein wie ein Mantel. Und als sie endlich in sich zusammenfiel, war der Meistermagier verschwunden.
Dann war alles vorbei. Totenstille lastete auf dem Raum. Nur mit Mühe löste ich mich aus meiner Erstarrung und sah mich um. Ich war der einzige, der noch aufrecht stand; die Sree und die überlebenden Adepten waren ohnmächtig zusammengebrochen, als die Lohe aus Feuer und Magie den Saal durchrast hatte.
Mein Blick irrte zum Fenster. Draußen hatte es zu regnen aufgehört; die magische Kuppel hatte sich stabilisiert Mein Stockdegen und der Kristall waren von dem Tor wieder ausgespien worden. Der magische Stein pulsierte ruhig und gleichmäßig in seinem bläulichen Licht. Ich hob ihn hoch... und legte ihn nach kurzem Zögern wieder auf den Boden zurück. Bestimmt hätte er mir noch wertvolle Dienste leisten können, doch ihn mitzunehmen hätte bedeutet, die Kuppel endgültig zusammenbrechen zu lassen. Das war eine Verantwortung, die ich nicht auf mich laden konnte. Dafür nahm ich meinen Stockdegen vom Boden auf und schob ihn unter meinen Gürtel.
Vieles würde sich im Verlauf der nächsten Monate und Jahre hier ändern. Die beiden Magierkreise waren ausgelöscht, und die Sree hatten die Macht übernommen. Möglicherweise würde es jetzt für sie und die Menschen gleichermaßen eine friedlichere Zukunft geben.
Ich würde es nicht mehr erleben.
Ich trat auf Sill zu, die ebenfalls das Bewußtsein verloren hatte, und nahm sie wie ein Kind auf die Arme. Immer noch flackerte das Tor unruhig, und es konnte nur noch Minuten dauern, bis es zusammenbrach. Aber noch besaß es ausreichend Kraft.
Von
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