Der Hexer - NR48 - Geistersturm
gewesen wäre. Als ich einen der GROSSEN ALTEN getötet hatte, eine schreckliche, im Vergleich zu Cthulhus Gezücht jedoch vergleichsweise unbedeutende Kreatur, hatte sie sich in mir eingenistet und versucht, meinen Schatten als Werkzeug zu benutzen, um mich zu töten. Die weiße Strähne in meinem Haar erinnerte mich immer wieder aufs neue an jene Tage des Schreckens.
»Robert, was ist los?« fragte Mary noch einmal, drängender als zuvor.
»Der Schatten«, hauchte ich. »Sehen Sie es nicht, mein Schatten...«
»Jetzt aber marsch ins Bett«, unterbrach sie mich. »Sie leiden ja schon an Halluzina...«
Die Bestie nutzte meine sekundenlange Unachtsamkeit. Einer der rauchigen Schattenarme peitschte gedankenschnell auf mich zu. Im letzten Moment konnte ich mich darunter hinweg bücken und versetzte Mary einen Stoß, der sie auf den Schreibtisch zutaumeln ließ. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, der Bestie zu entkommen.
»Das Licht!« schrie ich. »Löschen Sie das Licht, schnell!«
Mary schaute mich nur verständnislos an; sie hielt mich für vollends übergeschnappt.
Mit einem verzweifelten Satz sprang ich vor, um die Lampe selbst vom Tisch zu schlagen. Ich kam nicht einmal einen Schritt weit, bis ich erkannte, in welche Falle ich gegangen war.
Der Schatten sprang mich wie ein Raubtier an, umklammerte mich und verwandelte sich gleichzeitig in etwas gänzlich anderes.
Wieder spürte ich, wie eine Feuerlohe durch meinen Körper tobte. Ich sah meinen Körper unter mir zusammenbrechen, während mich ein unvorstellbar starker Sog packte und mit sich fortriß. Ein gigantisches, über und über mit sinnverwirrenden Symbolen bedecktes Portal erschien vor mir und schwang auf.
Ich stemmte mich gegen den Sog, doch er war zu stark und riß mich weiterhin auf das Portal zu. Verzweifelt versuchte ich, mich irgendwo festzuklammern, aber um mich herum war nur das Nichts.
Dann stürzte ich haltlos durch das Portal, hinein in die Unendlichkeit....
* * *
Mary schrie auf.
Erschrocken starrte sie auf den regungslos vor ihren Füßen liegenden Körper herab. Sie trat einen Schritt vor und streckte ihre Hand nach Robert aus, führte ihr Vorhaben jedoch nicht zu Ende. Etwas hielt sie davon ab, den Körper zu berühren.
Ein Schwächeanfall, durchzuckte es sie. Roberts Kreislauf war zusammengebrochen, kein Wunder bei seinem selbstmörderischen Verhalten in den letzten Tagen. Es war erstaunlich, daß er überhaupt so lange durchgehalten hatte.
Zugleich aber wußte sie, daß dies nicht die einzige Erklärung sein konnte. Robert war nicht einfach nur zusammengebrochen. Immer noch glaubte sie seine gellenden Schreie zu hören. Kein Kreislaufkollaps, nicht einmal ein Herzanfall konnten solche Schmerzen verursachen.
Und auch sein merkwürdiges Verhalten, nachdem es so ausgesehen hatte, als ob er sich von dem Anfall erhole, ging ihr nicht aus dem Sinn.
Er hatte etwas über seinen Schatten gesagt, und sie hatte den Eindruck gehabt, als fühle er sich davon bedroht. Es wäre einfach, das mit seiner Erschöpfung zu erklären, aber sie ahnte, daß auch das nicht die einzige Erklärung war. Seit sie Robert kennengelernt hatte, hatte sie so viel Unbegreifliches erlebt, daß sie das Wort »unmöglich« aus ihrem Sprachschatz gestrichen hatte.
Und hier war etwas geschehen, das sie nicht begreifen konnte. Und eigentlich auch nicht wollte. Sie begriff nur, daß Robert in Gefahr war.
»Mr. Lovecraft!« schrie sie. »Mr. Lovecraft, schnell!«
Erst dann wurde ihr bewußt, daß sich das Arbeitszimmer in einem ganz anderen Flügel des Hauses befand als die Schlafzimmer. Niemand konnte ihre Rufe durch die dicken Mauern hören.
Einen Moment lang zögerte sie noch und sah fast verzweifelt auf Robert herab. Alles in ihr sträubte sich dagegen, ihn allein zu lassen. Dann begriff sie, daß sie nur weitere wertvolle Zeit verlor.
Mary eilte in die Halle und die Treppe hinauf. »Mr. Lovecraft!« rief sie noch einmal, mit schriller, fast überschnappender Stimme.
Irgendwo wurde eine Tür aufgerissen, doch nicht Howard kam herbeigelaufen, sondern Rowlf. Er war vollständig angezogen. Anscheinend hatte auch er noch nicht im Bett gelegen.
»Was’n los?« fragte er.
»Robert ist zusammengebrochen«, erklärte sie hastig, während sie bereits in den ersten Stock zurückeilten. »Schnell, Rowlf, holen Sie Dr. Gray!«
Rowlf warf nur einen kurzen Blick in das Arbeitszimmer, dann nickte er und stürmte die Treppe hinab, immer zwei, drei Stufen auf
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