Der Hexer von Hymal 01 - Ein Junge aus den Bergen
Tal hinunter führte, desto mehr wich die Bergeskälte einer wohligen Frühlingswärme. Am späten Vormittag hatte sich dann der Nebel gänzlich aus dem Tal verzogen und die beiden Wanderer konnten die Strahlen der Sonne auf ihren Gesichtern genießen. In den Grasteppich hatten sich nunmehr auch vereinzelte Sträucher und Büsche gemischt, von denen viele schon in frischen Farben blühten. Es schien, als sei der Frühling hier auf der anderen Seite der Berge schon deutlich weiter gediehen.
Fast vergessen schienen Nikko die unglaublichen Strapazen des vergangenen Tages. Letzte Zweifel an der Reise, wie er sie in der schlaflosen Nacht noch vielfach hatte, waren nun gänzlich ungetrübter Zuversicht gewichen.
Gegen Mittag waren die beiden Reisenden tief genug im Tal, so dass sich vereinzelte sogar Bäume in die nun üppige Flora mischten. Der Pfad folgte jetzt dem Verlauf eines mal sanft plätschernden, mal wild strömenden Baches, den zuweilen weitere Quellen speisten. Das Tal hatte sich merklich verbreitert und die Felswände zu beiden Seiten waren grünen Hügeln gewichen.
Nach einiger Zeit erreichten die beiden Reisenden schließlich eine kleine Senke, in der sich einige Bäume zu einer Gruppe zusammengefunden hatten. Die Kuhle lag gut geschützt zwischen der Straße und dem dahinfließenden Gewässer. Ein guter Platz für eine Rast, dachte wohl nicht nur Nikko, denn der Alte, der immer noch vorausging, machte plötzlich Halt.
»Eine kleine Rast haben wir uns wohl verdient«, murmelte der Greis und setzte sich in das weiche Gras. Nikko tat es ihm dankbar gleich.
Es wurde schon langsam dunkel, als Nikko aufwachte. Er musste wohl eingeschlafen sein. Zu sehr hatte ihm die wenig erholsame Nacht doch noch in den Knochen gesteckt. Hoffentlich war ihm Thorodos deshalb nicht böse. Der alte Mann jedoch saß friedlich am Wasser und schien tief in Gedanken versunken.
Nikko streckte sich ausgiebig, um wieder Leben in seine steifen Glieder zu bringen. Wie gut wäre jetzt doch ein erquickendes Bad. Dafür hatte es sich allerdings schon zu sehr abgekühlt. Trotzdem zog er die Stiefel aus und watete barfuß in den Bach. Das kühle Nass empfand er als wohltuend und erfrischend, wie es die von der Wanderung geschundenen Füße sanft umspülte und ihn lieblich zwischen den Zehen kitzelte.
»Ausgeschlafen?«, fragte Thorodos kühl. »Wir werden hier übernachten. Wer weiß, ob wir ein besseres Plätzchen finden, bevor es dunkel wird.«
Das hörte Nikko nur zu gern. Jetzt erst merkte er auch, wie ihm der Magen knurrte. Diesmal gönnte er sich nicht nur Brot und einen Apfel, sondern entschied sich, auch etwas Wurst und Pökelfleisch dazu zu genießen. Zu wohl fühlte er sich in diesem Augenblick, um sich die gute Laune durch allzu karge Kost verderben zu lassen. Einige Schlucke aus dem kristallklaren Bach krönten sein Abendmahl.
Mit vollem Magen und guter Dinge fragte er sich dann, ob sie ihr Ziel wohl morgen erreichen würden. Viel Lust, noch weitere Tage auf der Straße zu verbringen, verspürte der Junge nämlich nicht. Der Alte schien jedoch selbst nicht zu wissen, wohin genau der Weg sie führen würde.
Wenig später hatte es sich weiter abgekühlt. Tatsächlich sah es nun so aus, als würde es eine frische Nacht werden.
»Such etwas Brennholz, Junge!«, befahl Thorodos plötzlich und fügte hinzu: »Geh sicher, dass es trocken ist.«
Nikko empfand die Aussicht auf ein wärmendes Feuer äußerst verlockend und machte sich sogleich auf die Suche nach trockenem Reisig. Auf dem Boden konnte er allerdings nur modrige Äste finden. Offenbar hatte es hier in den vergangenen Tagen viel geregnet. Da blieb ihm wenig übrig, als sich tiefer in die Büsche zu schlagen, um dort frische Zweige zu brechen.
»Ein wahrlich seltsames Plätzchen habt Ihr euch da erwählt, alter Mann«, hörte er plötzlich eine fremde Stimme sagen.
Sogleich dreht sich der Junge um und ging dann vorsichtig zurück in Richtung des Lagers.
»Wohin des Weges?«, fuhr die Stimme fort, um dann zu spotten: »Man könnte fast meinen, Ihr wärt auf der… Flucht?«
Nikko konnte das Lager jetzt gut einsehen. Ein großer Mann mit schmalem Gesicht und lockig braunem Haar, gekleidet in eine schwarze Robe mit roten Stickereien, musterte Thorodos.
»Es entspräche den guten Gepflogenheiten, sich zunächst vorzustellen«, antwortete der Alte schließlich in aller Ruhe.
»Mein Name ist unwichtig, Thorodos. Allein, weshalb ich hier bin, soll Euch
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