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Der Hexer von Quin

Der Hexer von Quin

Titel: Der Hexer von Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Drittel der Treppe.
    »Yzinda!« schrie er und rannte hinter ihr her. Sie antwortete nicht.
    Dreihundert oder vierhundert Schritte lang verfolgte er sie. Er überwand in rasendem Lauf den Rest der Straße, sprang mehrere Stufen der Treppe zugleich aufwärts und sah die wuchtigen Mauern aus ebenso wuchtigen Blöcken an sich vorbeigleiten, rannte, sprang und kletterte höher und höher und folgte den Windungen der Treppe, die immer wieder durch Tore und kantige Türme führte. Nach kurzer Zeit verlor er die Coltekin aus den Augen – aber sie konnte nur diese Treppe benutzt haben.
    Hinter den Mauern wuchsen Bäume und fruchttragende Büsche. Lianen und Ranken hingen wie Vorhänge über die steinernen Flächen. Die Stufen waren so gut wie unversehrt, vom Alter nicht gezeichnet. Gerüche tauchten auf, die erkennen ließen, daß hinter den abweisenden Fronten Menschen lebten. Aber noch hatte sich Luxon-Casson niemand in den Weg geworfen. Er hastete weiter.
    Ungefähr ein halbes Hundert Stufen – weiter nach oben und in wilden Biegungen durch einen Teil der Felsenstadt hindurch – später fand er einen Schleier. Er hatte Yzindas Kopf während der meisten Stunden des Rittes bedeckt. Luxon hob ihn nicht auf, sondern rannte weiter. Er kam auf einen kleinen Platz, von dem mehrere schmale Treppen und eine breite, weiße Freitreppe ausgingen. Gerade in dem Augenblick, als er sich überlegte, welchen Weg die Coltekin genommen haben konnte, donnerte am oberen Ende der breiten Straße eine schwere Tür zu. Casson wirbelte herum und schaute zurück zum riesigen Tor. Dort tauchten gerade zwei Orhaken auf, halb rasend vor Angst und Wut, sie erschienen plötzlich vor der Nebelwand und trabten durch das wuchtige Tor.
    Noch etwas sah der Shallad, der inzwischen dorthin rannte, wo er den Krach der Bohlen auf Stein gehört hatte: Der Wall, die Mauern, sämtliche Stufen der Burgstadt waren aus unverhältnismäßig wuchtigen Quadern erbaut, die fast nahtlos aufeinandergesetzt und miteinander verbunden waren.
    Casson sprang auf eine glatte, wegartige Fläche hinaus und rannte im Zickzack durch einen Teil jener seltsamen Stadt. Überall waren Gerüche und Geräusche, aber niemand ließ sich sehen. Casson umrundete kantige Säulen, wich nach links oder rechts aus, kam auf einer schrägen Ebene weiter hinauf zum Hügel und befand sich nach weiteren dreißig, vierzig Sprüngen vor einem einzeln stehenden Gebäude.
    Es war langgestreckt und wandte ihm den Eingang zu, die schmalere Seite.
    Eine glatte Fläche aus spiegelndem Stein führte zum weit offenstehenden Eingang. An beiden Seiten erstreckten sich eckige Säulen, die in der Mitte von einem umlaufenden Fries verziert waren. Das Fries bestand aus weißem Stein, der schauerliche Figuren erkennen ließ, die Säulen waren tiefschwarz. Casson rannte keuchend die Schrägfläche hinauf, spähte über das steinerne Geländer und blickte in die Innenhöfe vieler Gebäude hinein. Dort wuchsen Bäume, zwischen ihnen sah er kleine Gärten und Quinen, die neben ihren Häusern arbeiteten.
    Mit schnellen Schritten war Casson im Eingang des Gebäudes.
    Vor ihm lag eine große, würdige Halle aus Stein. Durch viele Öffnungen im Dach und unter der Decke kamen schräg die breiten Sonnenlichtbalken herein. Im hinteren Drittel der Halle befanden sich weitere Stufen, von Plattformen gebildet, und von einem steinernen Thron gekrönt.
    In dem Thron, der mit weißen Fellen ausgelegt war, saß regungslos, in tiefe Gedanken versunken, ein stattlicher Mann mit schwarzem Haar.
    Mit beachtlicher Schnelligkeit und völlig lautlos rannte Yzinda auf den meditierenden Mann zu, der kaum ein anderer sein konnte als der Zauberer Kukuar.
    Der schweigende Mann bemerkte die rennende Coltekin nicht. Sie hatte ihren seltsamen Dolch in der Hand und riß jetzt den Arm hoch. Die Finger Kukuars lagen ruhig in seinem Schoß. Jetzt machten die Sohlen der Sandalen leise, schleifende Geräusche auf dem polierten Steinboden. Casson holte tief Luft und stürzte, so schnell er es vermochte, vorwärts.
    Seine Stimme zersplitterte in der steinernen Halle in viele Echos.
    »Yzinda! Bist du wahnsinnig?«
    Der Shallad war nicht schnell genug. Yzinda sprang die niedrigen Stufen der Plattform hoch und setzte zu einem furchtbaren Hieb mit der breiten Waffe an. Der Kopf des Mannes – sein schwarzes Haar wurde von einem breiten roten Stirnband zusammengehalten – bewegte sich nicht, obwohl er den lauten Schrei gehört haben mußte.
    Casson

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