Der Himmel schweigt
Koshi würde auf dem Schlachtfeld bleiben, bis die eine oder andere Seite den Kampf gewann und das Wrack zur Reparatur abtransportierte. Aber er hatte sich nicht hinter die Linien bringen lassen.
»Der Wetterdienst sagt Regen und Sturmböen voraus«, erklärte er.
»Dazu hätten wir nur aus dem Fenster zu schauen brauchen«, kommentierte Tara. »Oder haben Sie auch noch etwas Exakteres zu bieten?«
»Eine ausgedehnte Gewitterfront zieht von Südwesten heran, sie dürfte gegen Morgen hier eintreffen. Die Vorhersage kündigt hohe Windgeschwindigkeiten, schwere Regenfälle, Blitzschlag und örtliche Überschwemmungen an.«
Ezekiel Crow bemerkte: »Das ist kein gutes Wetter für Mechs und Panzer.«
»Das ist für gar nichts ein gutes Wetter«, sagte Tara. Sie zupfte in Gedanken an einer blonden Haarsträhne. Als kleines Mädchen hatte sie geglaubt, sie würde um so klarer denken, je fester sie zog, und unter Stress glaubten ihre Finger das noch immer. Dann kam sie zu einer Entscheidung. Sie drehte sich zu dem KommTech um und sagte: »Schicken Sie eine Nachricht über den offenen Kanal an Präfekt Kal Radick. Wir bitten um eine Konferenz.«
Griffin starrte sie an. »Wir tun was?«
Der Oberst war von ihrem Vorschlag sichtlich entsetzt, und Ezekiel Crow ging es nicht anders. Tara beeilte sich, die beiden zu beruhigen.
»Ich will ihm einen Waffenstillstand vorschlagen, bis die Gewitterfront vorbei ist. Das ist alles. Ganz abgesehen von den Gefechtsbedingungen können wir die Zeit gebrauchen, die uns das verschafft.«
Die Nachricht ging über den Sender, und Minuten später saßen Tara und Ezekiel Crow in einem Fuchs-Panzerschweber und waren zum Treffpunkt unterwegs: einem nur durch Koordinaten gekennzeichneten Punkt im offenen Gelände zwischen beiden Armeen. Selbst mit Höchstgeschwindigkeit dauerte die Fahrt von ihrem provisorischen Hauptquartier eine knappe Stunde. Niemand wollte den Anführer der Stahlwölfe näher an die Highlanderlinien heranlassen, nicht einmal zu einer Konferenz, und als sie die vereinbarten Koordinaten erreichten, war es schon Nacht. Sie stiegen aus dem Fuchs , dessen Scheinwerfer wie vereinbart blinkten, und warteten.
Die Wölfe ließen nicht lange auf sich warten. Nur Minuten später sah Tara ein Fahrzeug von Norden kommen. Es war ebenfalls ein Fuchs -Panzerschweber, diesmal mit Stahlwolf-Insignien. Der Fuchs hielt wenige Meter entfernt an, und zwei Personen stiegen aus, ein Mann und eine Frau. Sie kamen näher. Tara konnte ihr Erschrecken nur mit Mühe verbergen.
Dieser Mann war nicht Kal Radick. Tara kannte sich gut genug mit Stahlwolf-Ausrüstung und -Uniformen aus, um die Insignien eines Sterncolonels zu erkennen, der jedoch kein MechKrieger war. Die Frau allerdings: Sie besaß eine bedrohliche Schönheit, die niemanden je veranlassen würde, sie als Engel zu beschreiben oder zu einem Rekrutierungsposterschätzchen zu machen, und für einen Moment stieg in Tara purer, unvernünftiger Neid auf. Offensichtlich hatte sich die Situation bei den Stahlwölfen schneller verändert, als der Geheimdienst der Highlanders bemerkte: denn es war diese Frau, die den Befehl inne hatte.
»Galaxiscommander«, begrüßte sie Tara. Ein Glück, dachte sie, dass sie von frühester Kindheit an auf dem diplomatischen Parkett geschult worden war. Sie konnte unter allen Umständen ein unbewegtes Gesicht und einen höflichen Tonfall aufrecht erhalten. »Darf ich daraus schließen, dass nicht länger Kal Radick die Stahlwölfe anführt?«
Die Frau nickte knapp. »So ist es. Ich bin Anastasia Kerensky.«
Tod und Teufel, dachte Tara. Eine Kerensky. Ruhig bleiben. Frag sie nicht nach Radick. Wahrscheinlich hat sie ihm die Kehle durchgeschnitten und ihn sich zum Frühstück servieren lassen.
Ihr Antwortnicken war ebenso kurz wie das Kerenskys, vielleicht sogar noch einen Bruchteil kürzer. Als sie weitersprach, wirkte ihre Stimme kühl und gelassen. »Ich bin Tara Campbell, Countess of Northwind und Präfektin der Präfektur III. Mein Begleiter ist Paladin Ezekiel Crow.«
Crow hatte für die Konferenz Zivilkleidung angelegt und trug dadurch keinerlei Rangabzeichen, sodass er Taras Autorität als Countess und Präfektin nicht untergrub. So höflich wie immer verbeugte er sich. »Galaxiscommander Kerensky.«
Sie nickte wieder. »Paladin.«
Tara schaute zu Anastasia Kerenskys Begleiter, den Sterncolonel. Ihr neugieriger Blick half ihr nichts. Kerensky stellte ihn nicht vor. Falls ihr der Mann das übel nahm,
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