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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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seine Mütze und sein altes Tweed-Jackett und darunter ein grünes Sweatshirt, auf dem in weißer Schrift GOMER PARRY LANDWIRTSCHAFTSDIENSTE stand. Das war die Idee seines Neffen und Geschäftspartners Nev gewesen. Gomer hatte zwei T-Shirts extra für Jane und Merrily bedrucken lassen – das war eine echte Ehre   –, und er beschnitt für Merrily die Friedhofshecke und hielt die Gräben sauber, ohne je auch nur einen Penny dafür in Rechnung zu stellen. Er kam sogar beinahe regelmäßig jeden zweiten Sonntag zum Gottesdienst. Doch Gomers wahre Religion waren die Landwirtschaftsdienste.
    «Und die wissen nicht, wo es angefangen hat?»
    Hatte sie ihn das schon gefragt? So wahnsinnig viel gab es ja nicht zu sagen, wenn man unterwegs war, um die verkohlten Überreste einer Existenz zu besichtigen.
    «Jedenfalls ham sie’s nich gesagt. Wie die Polizeitypen nun ma sind. Außerdem isses wohl erst aufgefallen, wie der Schuppenschon lichterloh gebrannt hat.
Vier
Feuerwehrwagen sind ausgerückt.»
    Armer Gomer, er hockte wie ein Zwerg auf der Kante des Beifahrersitzes, mit flaschendicken Brillengläsern, die in der Dunkelheit des Lieferwagens fast undurchsichtig wirkten. Merrily vermutete, dass Nevs und Gomers Tätigkeit im strengen Sinn gar nicht als Landwirtschaftsdienste bezeichnet werden konnte. Sie hoben vor allem Entwässerungsgräben und Sickerschächte für Klärgruben aus. Sie hatten zwei Traktoren, einen Kipplaster, eine Planierraupe und zwei Bagger, Gwynneth und Muriel, die kurz hinter der walisischen Grenze in einer ehemaligen Flugzeughalle neben einer alten Landebahn standen, die schon lange nicht mehr benutzt wurde.
    Und jetzt brannte es dort.
    «Bist du versichert, Gomer?»
    «Jaja, klar. Aber darum geht’s doch garnich.»
    «Nein, wahrscheinlich nicht.» Vor ein paar Jahren hatte Minnie Gomer dazu gebracht, sozusagen in Altersteilzeit zu gehen, und er hatte Nev das Geschäft mehr oder weniger übergeben. Aber nach Minnies Tod hatte er wieder angefangen, Vollzeit. Landwirtschaftsdienste: Das war alles, was er noch hatte.
    «Darum geht’s kein bisschen», sagte Gomer niedergeschlagen. Sie waren jetzt am Stadtrand von Kington, wo Straßenarbeiten und eine provisorische Ampel sie aufhielten.
    «Weiß Nev es schon?»
    «Ach, der wird sich noch irgendwo volllaufen lassen. Kein Mensch weiß, wo er is.»
    Im Gegensatz zu seinem Neffen trank Gomer nur noch sehr wenig. An diesem Abend allerdings war er mit einem berüchtigten Säufer im
Black Swan
verabredet gewesen. Es ging um einen Auftrag, und Gomer hatte sich verpflichtet gefühlt mitzuhalten.
« Vielleicht vier Gläser, Frau Pfarrer»,
hatte er gestanden, als er ihr das Lenkrad überließ.
«Ausgerechnet heute Abend.»
    Als Jane angerannt kam und gesagt hatte:
«Es geht um Gomer»,
hatte Merrily als Erstes gedacht, er hätte einen Schlaganfall gehabt oder einen Herzinfarkt, wie Minnie, die nichts lieber getan hätte, als sich um den Souvenirladen in der Kirche zu kümmern – und niemand wäre geeigneter dafür gewesen, abgesehen vielleicht von Lucy Devenish, die das
Ledwardine Lore
geführt hatte. Beide waren inzwischen tot. Ach, wenn man an all das dachte, was hätte sein können. Alles änderte sich, bevor man so weit war, so als würden die Seiten aus einem Lieblingsbuch herausgerissen, um eine ganz andere Geschichte zu offenbaren, ganz andere Personen, zu denen man sofort eine Beziehung aufbauen sollte, und die alten waren plötzlich für immer verschwunden.
    Endlich sprang die Ampel auf Grün, und Merrily fuhr durch die nasskalte, schlafende Kleinstadt und ließ England hinter sich.
     
    All die Blätter mussten bei dem starken Sturm letzte Woche heruntergekommen sein. Zwischen den kahlen Bäumen hindurch war unten im Radnor Valley Blaulicht wahrzunehmen, das im Nebel pulsierte. Flammen waren keine zu sehen.
    «Hier müssense links», sagte Gomer matt. «Aber schön langsam.»
    Merrily bog in eine schmale Straße ein. Auf der einen Seite befand sich ein eingezäuntes Feld – stoische Schafaugen im Scheinwerferlicht   –, auf der anderen Seite etwas, das aussah wie ein Steinbruch. Sie fuhr ungefähr zweihundert Meter im zweiten Gang, bis sie an einen hohen Drahtzaun mit einer offenen Tür kamen. Ein Polizeiauto mit laufendem Motor und blinkendem Blaulicht blockierte den Eingang. Als Merrily ihr Fenster herunterkurbelte, registrierte sie noch andere Motorengeräusche und dunstige Lichter und einen Geruch, der in den Lieferwagen zog wie giftiges Gas:

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