Der Himmel ueber Dem Boesen
es schon mit Hysterie zu tun gehabt, mit Tränen und Wut, aber es gab nichts Schlimmeres als die Vernunft. «Vielleicht haben sie noch nicht darüber nachgedacht, dass es Vandalismus geben könnte. Ich werde mit ihnen darüber sprechen. Aber Sie müssen verstehen, dass es auch um Familiengeschichte geht. Tony Lodge fühlt sich seinem Vater verpflichtet.»
«Wogegen
wir
uns der Zukunft verpflichtet fühlen», sagte Fergus Young.
«Sie haben eine Nachricht»
, tönte es aus ihrem Handy, nachdem sie es angeschaltet hatte.
Merrily legte das Telefon aufs Armaturenbrett und sah eine Zeitlang einfach nur durch die Windschutzscheibe auf Underhowle.
Bildung, Bildung, Bildung
, hatte Tony Blair oder sonst wer gesagt, als er nach den Hauptzielen der New-Labour-Regierung gefragt worden war. Sie überlegte, wie es wäre, Gemeindepfarrerin in Underhowle zu sein: eher ein Kindergarten als ein Altersheim. Doch was die Kirche anging, konnte sie darin keinen Vorteil sehen, jedenfalls nicht auf kurze Sicht. Und schon gar nicht mit dem engstirnigen und zynischen Jerome Banks als Pfarrer.
«Also ist es jetzt raus.», Huw Owens Stimme erklang von der Mailbox. «Bliss, dieser egoistische Bastard. Ich komme heute Abend rüber, junge Frau. Gehen Sie nirgends hin.»
Sie warf den Kopf zurück. Die Kopfstütze am Fahrersitz fehlte schon ewig. Warum glaubten diese blöden Männer eigentlich immer, anderer Leute Termine durcheinanderbringen zu dürfen? Sie schloss die Augen.
Als sie die Augen wieder aufschlug, war erneut ein Schatten über das Seitenfenster gefallen.
«Ich nutze einfach mal die Gelegenheit», sagte Sam Hall, als sie erschöpft die Scheibe herunterkurbelte. «Sie müssen Merrily Watkins sein.»
33 Hotspots
Es war alles da, vom schmiedeeisernen norwegischen Holzofen bis zu den beiden Solarpaneelen auf dem Dach. Sogar das Radio wurde mit einem Aufziehmechanismus betrieben. Allerdings hatte er eine kleine, konventionelle Stereoanlage. Sein einziges Laster, sagte er.
Im Übrigen das reinste Vorzeigeleben. Aber wie gut war dieses Leben in Wirklichkeit? Es war ein dunkler Raum, dieser große Wohnbereich; die Fenster waren dreifach verglast und klein. Eines davon, das wie eine Insel in einer Regalwand voller Bücher lag, bot einen Ausblick den Hügel hinunter auf eine Reihe Strommasten.
Der falsche Ausblick, so schien es jedenfalls Merrily.
«Ich weiß, dass Sie sich fragen … warum», sagte Sam. «Warum ich, wenn ich schon so leben will, das nicht auf irgendeiner abgelegenen Hebrideninsel mache oder irgendwo in Wales, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.»
«Das habe ich mich wirklich gefragt, aber ich glaube, ich habe eine Antwort gefunden: weil er sich immer an etwas erinnern will?»
«Sie müssen ein großer Verlust für die Polizei gewesen sein, Mrs. Watkins.» Leises Lachen in dem düsteren Raum. «Dieser verdammte Bliss hätte uns allen eine Menge Zeit und Ärger ersparen können, wenn er Sie nicht als Polizistin ausgegeben hätte.»
«Warum ist er denn noch einmal zu Ihnen gekommen?»
«Das Übliche. Er hat auch mit Ingrid gesprochen. Er wollte wissen, was wir über Lodge wussten. Ob wir von anderen Frauen wussten, mit denen er ausgegangen ist, oder von irgendwelchen Typen, die er kannte. Leider konnte ich ihm nicht weiterhelfen.»
«Aber Sie glauben, dass Sie
mir
weiterhelfen können.»
«Vielleicht können wir uns ja gegenseitig helfen.» Sam kniete sich vor den Ofen und legte einen Holzscheit ins Feuer. «Also, zusammengefasstwürde ich sagen, dass ich es immer noch lieber mit Spott zu tun habe als mit Mitleid. Ja, Sie haben recht. Ich habe in den Staaten mein einziges Kind an Leukämie sterben sehen, und ja, wir haben direkt unter ein paar Hochspannungsleitungen gewohnt, und klar, ich bin ziemlich fanatisch geworden deswegen, hab zu viel getrunken und meine Ehe zerstört. Und jetzt bin ich zurück in England, und ich bin immer noch wütend, und ich vermute, dieses Land ist klein genug, um etwas bewirken zu können. Und ja, Sie bedauern meinen Verlust – danke –, also wären wir damit durch. Wie viel hat Lol Ihnen erzählt?»
«Er hat mir erzählt, was Sie über Hotspots und die Symbolik des Pestkreuzes gesagt haben. Und er sagte, es gäbe einen übersinnlichen Aspekt dabei, den Sie offenbar nicht mit ihm diskutieren wollten.»
«Der übersinnliche Aspekt, tja. Ich schätze, er und ich haben in der Nacht von Roddys Tod mehr als nur einen kleinen Hauch davon mitbekommen. Als wir uns
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