Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Anfang zwanzig. Für seine magere Gestalt hatte er beachtliche Kräfte, ging aber nicht sehr gezielt damit um. Hardy hatte keine Schwierigkeiten, ihn unter Kontrolle zu halten.
»Ist das dein Haus?«
»Ja.«
»Wer ist hier?«
»Reagan und seine Jungs«, keuchte der Mann. Er trug die Haare extrem kurz geschoren und ein Runen-Tattoo über dem rechten Ohr.
»Radek und David?«
»Ja.«
»Sonst niemand?«
»Nein.«
»Wo?«
»Im Keller.«
»Wie ist dein Name?«
»Toni.«
»Toni. Und weiter?«
»Zachl.«
»Und du lügst mich nicht an, Toni?«
»Nein.«
»Das will ich dir auch geraten haben. Wenn ich dich gleich loslasse, möchte ich, dass du vor mir her in das Zimmer da gehst. Verstanden, Toni?«
Der Mann nickte eifrig, und Hardy ließ ihn los. Er blieb dicht hinter ihm, als Zachl durch die Tür ging, aber im Zimmer war niemand, nur ein Flachbildfernseher lief, ohne Ton. Darüber hing eine Reichskriegsflagge an der Wand, daneben Poster von Bands, deren Namen in Fraktur geschrieben waren.
»Interessantes Lied, eben«, sagte Hardy. »Das hätte mein Vater hören sollen. Der wär mit der Panzerfaust hier reingekommen und hätt dir mal klargemacht, worum’s da geht. Zieh deinen Gürtel aus.«
Zachl tat, was ihm gesagt wurde, und reichte den schwarzen Ledergurt nach hinten. Hardy fesselte ihm damit die Hände hinter dem Rücken. Wirklich sicher war das nicht, aber es reichte für den Moment.
»Gesicht zur Wand.«
Zachl gehorchte. Hardy ging in die Diele, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Ula stand im Rahmen der eingetretenen Haustür.
»Reagan ist angeblich im Keller. Ich werd das überprüfen«, sagte er.
Sie nickte.
Hardy steckte seine 22er weg und checkte die Waffe, die er Zachl abgenommen hatte, einen .38er Revolver, in dem aber nur drei Patronen steckten. Er reichte ihn Ula. »Weißt du, wie man damit umgeht?«
»Ja.« Sie wog ihn in der Hand und spannte den Hahn.
»Wenn er versucht, sich zu befreien, halt einfach drauf.« Er sprach laut, damit Zachl es mitbekam. »Auf die Entfernung erwischst du ihn auf jeden Fall.«
Die Taurus in der Hand, öffnete er die Kellertür einen Spalt weit. Dahinter war es dunkel. Ein scharfer Geruch nach Chemikalien wehte heraus.
»Heh, da unten«, rief er. »Ich bin’s, Hardy. Ula ist auch hier. Sie möchte mit Reagan sprechen.«
Er bekam keine Antwort, aber er meinte, ein Tuscheln zu hören. Etwas fiel polternd um. Eine Tür klappte. Dann Stille.
»Jungs, was ist los?«, rief Hardy. »Wir tun euch nichts.«
Noch immer keine Antwort. Hardy ging ins Wohnzimmer zurück.
»Hat der Keller eine Tür nach draußen?«
»Ja«, sagte Zachl.
In diesem Moment hörten sie den BMW anspringen. Hardy sprintete zur Haustür, aber vor dem Haus sah er nur noch die Staubfahne, die der M3 zurückgelassen hatte.
»Vor was rennt der Junge eigentlich weg?«, murmelte er und ging wieder rein. »Sie sind weg.«
»Wieso haut er ab?«, fragte Ula.
»Keine Ahnung. Bleib hier, ich schau mich da unten mal um.«
Im Keller fand er einen ähnlichen Aufbau wie in der Wohnung in München, erheblich kleiner allerdings, ausreichend für erweiterten Eigenbedarf. Ein mit weißlichen Kristallen gefülltes Tellerchen auf dem Tisch zeigte, dass Reagan und die Jungs wirklich überhastet aufgebrochen waren.
Um den Tisch herum standen ein paar fleckige, durchgesessene Polstermöbel von einem unappetitlichen Grün, in der Ecke lehnte eine billige Elektrogitarre an einem Verstärker. Eine löchrige karierte Decke lag zusammengeknüllt auf dem Sofa, als habe hier jemand geschlafen. Die Außentür stand offen, daneben lag ein umgestürzter Hocker. Draußen führte eine marode Betontreppe in den Garten hinauf. Darauf lag ein teurer Sportschuh. Er ging wieder rauf. Ula stand unverändert an der Tür, den Revolver locker in der gesenkten Hand. Zachl starrte immer noch die Wand an, die sich fünfzehn Zentimeter vor seinem Gesicht befand.
»Möglich, dass Reagan wirklich geschlafen hat und seine Jungs Panik gekriegt haben«, sagte Hardy. »Wahrscheinlich haben sie ihn einfach mitgeschleift. Hat unser Gastgeber was erzählt?«
»Er sagt, das Zeug da unten gehöre ihm nicht, das wäre Reagans. Was meint er damit?«
»Er hat ’ne kleine Meth-Küche im Keller.« Hardy wandte sich an Zachl. »Du bist der Typ, über den Reagan seine Abnehmerin kennengelernt hat, richtig?«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Falsche Antwort«, sagte Hardy und stieß ihm den Handballen gegen den Hinterkopf. Zachl
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