Der Himmel über Garmisch (German Edition)
dran, Stavros … Ruf Reagans Nummer an«, sagte er zu Ula und öffnete die Fahrertür.
Ula zog ihr Handy und wählte. »Es klingelt«, sagte sie.
Hardy stieg aus und sah sich um. Kaum wahrnehmbar durch das Rauschen der Autobahn hörte er eine Melodie. Er folgte dem Geräusch, es kam von einer Grünfläche am äußersten Ende des Parkstreifens. Auf dem Rasen glomm ein blaues Licht in der Dunkelheit. Es war das Display von Reagans Handy. Hardy hob es auf.
»Du kannst Feierabend machen, Stavros«, sagte er in sein Handy. Er steckte es ein und ging zurück zum Wagen. Ula stand neben der Beifahrertür und sah ihm entgegen.
»Was jetzt?«, fragte sie.
»Ende«, sagte Hardy. »Reagan will es alleine machen. Er soll es versuchen.«
»Glaubst du, er schafft das?«
»Nein«, sagte Hardy.
***
Schwemmer saß auf dem Sofa. Burgl hatte sich schon ins Bett verabschiedet. Gedankenverloren drehte er das Weinglas zwischen den Fingern und versuchte, den »Tagesthemen« zu folgen. Es gelang ihm schlecht. Als er das Glas abstellte, um es aufzufüllen, läutete das Telefon.
»Wer ist das denn, um diese Zeit«, brummte er und stand auf. Früher wäre es wahrscheinlich die Wache gewesen, aber wenn sein neuer Job einen Vorteil hatte, war es der, dass dienstliche Anrufe auf seiner Privatnummer zur absoluten Ausnahme geworden waren. Das Display zeigte eine ihm unbekannte Nummer mit Garmischer Vorwahl. Die Hände in den Hosentaschen blieb er vor dem Gerät stehen, bis der Anrufbeantworter ansprang.
»Ja, hier ist Fuchs«, hörte er eine Frauenstimme sagen. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich so spät noch anrufe, und dann auch noch bei Ihnen zu Hause …«
Er brauchte einen Moment, um Stimme und Namen übereinzubringen. Frau Fuchs war fast acht Jahre lang seine Mitarbeiterin gewesen und hatte noch nie bei ihm angerufen. Er nahm ab.
»Oh, Sie sind doch da …« Sie klang unsicher und, wie es ihm vorkommen wollte, nicht ganz nüchtern.
»Was kann ich für Sie tun, Frau Fuchs?«
»Ich glaub, ich hab einen Fehler gemacht.« Sie begann zu schluchzen und putzte sich die Nase. »Entschuldigung.«
»Frau Fuchs, beruhigen Sie sich erst mal.«
»Ich kann nicht. Ich hab einen Fehler gemacht.«
»Das sagten Sie bereits. Welchen denn?«
»Ich hab Dienstgeheimnisse verraten.«
So wie Schwemmer sich erinnerte, war »Dienstgeheimnisse verraten« schon immer das Hobby von Frau Fuchs. Sie waren früher mehr als einmal aneinandergeraten, weil Interna bei Außenstehenden oder gar der Presse gelandet waren. Aber so wie jetzt hatte er sie noch nie erlebt. »Welches Geheimnis denn? Und an wen?«
»Wissen Sie, ich hab mir gar nichts dabei gedacht …«
Das war immer ihre Stärke gewesen.
»Erst, als Sie heute auch nach der Akte gefragt haben …«
»Welche?«
»Die von der Vergewaltigung. Die dann zurückgezogen wurde.«
Eine zurückgezogene Vergewaltigung, dachte Schwemmer. Das wäre natürlich eine gute Sache, für alle Beteiligten. »Ja. Was ist damit?«
»Nun, ich hab einen … Bekannten.«
»Dann sind Sie nicht mehr verheiratet?«
»Aber Herr Schwemmer! Das wissen Sie doch!«
»Oh, Entschuldigung, ich war mir nicht sicher.« Er zog eine Grimasse. »Und was ist mit Ihrem Bekannten?«
»Er ist sehr nett. Eigentlich. Aber er hat mich auch nach diesem Mädchen gefragt, das die Anzeige zurückgezogen hat, wissen Sie?«
»Warum?«
»Ach, er hat eine komische Geschichte erzählt von einem Freund, dessen Enkelin das vielleicht sei … das kam mir von Anfang an komisch vor.«
»Woher wusste er denn überhaupt davon?«, fragte Schwemmer und erhielt zur Antwort ein untröstliches Schluchzen. »Schon gut. Ich hab verstanden.«
»Ich wollte doch nur …« Weiter schaffte sie nicht.
»Frau Fuchs … bitte …«
»Ich dachte, so eine Geschichte … das ist doch nicht so schlimm, wenn ich den Namen nicht sag.«
»Aber jetzt haben Sie ihn gesagt.«
»Ja …«
»Und? Was ist passiert?«
»Eigentlich nichts. Glaub ich. Hoff ich.«
»Aber?«
»Heut Nachmittag hab ich … Herr Schafmann war nicht da, und da hab ich an seinem Computer mal nachgeguckt.«
»Frau Fuchs, das dürfen Sie erst recht nicht!«
»Ich weiß …« Schniefen. »Aber da stand … mein Bekannter … der ist vorbestraft.«
»Oh.«
»Ja. Und er arbeitet für einen, den sogar das LKA überwacht. Einen richtigen Verbrecher.«
»Wen?«
»Unterwexler heißt der. Hanns-Karl Unterwexler.«
»Und wie heißt Ihr Bekannter?«
»Hardy
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