Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Inspektion treffen, wenn ihr das lieber ist … oder Ihnen.«
»Nein, auf die Inspektion wird sie nicht mögen. Sie hat keine guten Erinnerungen daran.«
»Aber reden muss ich schon mit ihr. Möglichst schnell. Ich komm zu Ihnen.«
»Nein. Warten Sie …« Er nahm den Hörer vom Ohr und sprach mit jemandem im Raum. Schwemmer konnte vage eine Frauenstimme erkennen. »Kommen Sie zum Friedhof. In Grainau«, sagte Rotloff schließlich.
Schwemmer sah zur Station der Hochalmbahn hinüber. Eine Kabine fuhr gerade ab. Dann warf er einen bedauernden Blick auf seinen Teller mit dem Hirschbraten. »Ich bin in einer halben Stunde da«, sagte er. »Meinen Dienstausweis hab ich dabei.«
***
Sie hatte seinen Rücken eingeölt und massierte seinen Nacken. Er genoss es, zumal sie für ihre Verhältnisse ziemlich schweigsam war. Er vermutete, dass ihr kleiner Disput vom Vorabend und seine Andeutung der Möglichkeit, ihre Beziehung zu beenden, sie vorsichtig gemacht hatte. Es war aber wichtig, ihr Vertrauen zu behalten. Er durfte nicht zu unverhohlen drohen. Sie musste ihn wollen, sonst hatte es keinen Sinn.
»Es täte mir leid, wenn wir uns gestern missverstanden haben«, sagte er in das Kissen hinein, auf dem sein Kopf lag.
»Nein nein. Es ist schon gut. Ich wollte dich nicht verärgern.« Ihre Stimme klang belegt.
»Es muss wirklich Zufall gewesen sein, dass dein Chef nach der Akte gefragt hat. Was hätte ich denn auch mit dem Namen anfangen sollen?«
»Ich hätte sie einfach nicht rausgeben dürfen«, sagte sie leise. »Auch nicht an dich.«
»Du hast recht. Und ich hätte nicht danach fragen sollen.« Er drehte den Kopf über die Schulter und zwinkerte ihr zu. Sein Handy läutete. Das Display zeigte die Nummer von Dr. Kustermann. Er meldete sich.
»Tut mir sehr leid, Herr Lepper. Ich bin bei einem Tennisturnier.«
»Ich hoffe, Sie sind ausgeschieden«, sagte Hardy.
»Nein, ehrlich gesagt läuft es ganz prima im Doppel …«
»Schade für Sie. Carlo braucht Sie hier. Sofort.«
»Ich kann Ihnen meinen Sozius schicken.«
»Er will Sie, Kustermann. Von einem Sozius war nicht die Rede.«
Kustermann brauchte ein paar Sekunden, bis er antwortete. »Ich bin nicht sicher, ob unsere Sozietät unter den gegebenen Bedingungen noch an der Fortführung unserer Zusammenarbeit interessiert ist.«
Hardy streifte Silvias Hand von seiner Schulter und stand auf. »Und ich bin nicht sicher, ob Sie ernsthaft möchten, dass ich das Carlo so weitergebe.«
Er verließ das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Nackt stand er in der Diele, das Handy am Ohr.
»Herr Lepper, die Zeiten ändern sich«, sagte Kustermann.
»Scheint so. Was meinen Sie, wenn Sie von ›gegebenen Bedingungen‹ sprechen?«
»Das möchte ich am Telefon nicht besprechen. Gerne hier, in Nürnberg. In meinem Büro. Mit Carlo.«
»Sie bleiben dabei, dass Sie nicht kommen?«
»Da es sich offenbar um einen dringenden Casus handelt, biete ich Ihnen noch einmal an, meinen Sozius zu schicken. Schließlich möchte ich keinen Streit mit Ihnen. Aber danach sollten Carlo und ich ein klärendes Gespräch führen.«
»Das klingt so. Dann schicken Sie in Gottes Namen den Mann her. Er soll sich bei mir melden.«
Er unterbrach das Gespräch und ging zurück ins Schlafzimmer. Silvia stand vor dem geöffneten Kleiderschrank neben der Tür.
»Ich hab nichts anzuziehen«, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.
»Wer sagt, dass du dir was anziehen sollst?«, fragte Hardy.
***
Schwemmer hatte die nächste Bahn hoch zur Alpspitze genommen und neben dem Hirschbraten zwei überraschte und eine ziemlich ärgerliche Dame auf der Hochalm zurückgelassen. Die verärgerte war seine Frau gewesen, die sich nun Gedanken machen konnte, wie sie später von der Talstation nach Hause kam. Oben an der Bergstation konnte er direkt in die Alpspitzbahn talwärts umsteigen, sodass er schon nach zwanzig Minuten Burgls BMW auf dem Parkplatz erreichte. Keine zehn Minuten später war er am Friedhof in Grainau.
Rotloff war noch nicht da. Schwemmer blieb im Schatten des Kirchturms stehen und sah auf den abschüssigen Friedhof hinab. Zwei ältere Damen waren mit Grabpflege beschäftigt, ein junges Paar wanderte wie Touristen zwischen den quadratischen Grabstellen her und studierte die Inschriften der Marterl. Nach ein paar Minuten erschien Herr Rotloff, allein. Er sah sich mehrfach um, bevor er den Friedhof betrat und auf Schwemmer zukam. Schwemmer grüßte freundlich.
»Sie wollten
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