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Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Titel: Der Himmel über Garmisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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mir Ihren Dienstausweis zeigen«, sagte Rotloff nur.
    Schwemmer zog seine Brieftasche und nahm den Ausweis heraus. Er reichte ihn Rotloff. »Schauen Sie sich ihn in aller Ruhe an.«
    Rotloff tat genau das. »Keine Ahnung, wie so ein Ding eigentlich auszusehen hat«, sagte er schließlich und gab ihn zurück. »Wirkt aber echt.«
    »Und gebraucht, gell?«, antwortete Schwemmer mit einem Lächeln. Dass Rotloff und seine Tochter kein allzu großes Vertrauen in die Polizei und ihre Arbeit hatten, war unverkennbar. Leider war das bei Opfern von Vergewaltigern nicht selten – und nicht selten begründet. Schwemmer hatte öfter, als ihm lieb war, verzweifelten Mädchen und Frauen gegenübergesessen, denen er jedes Wort glaubte, denen er aber trotzdem nicht helfen konnte, weil Beweise fehlten, bei der Spurensicherung gepatzt worden war, Zeugen umfielen, Alibis auftauchten, sodass am Ende Nerven rissen und Seelen bluteten.
    Rotloff drehte sich um, aber am Eingang war niemand zu sehen.
    »Ich muss Ihnen etwas sagen, bevor meine Tochter herkommt.«
    »Bitte …«
    »Es waren Leute bei mir. Leute, die ich nicht kenne. Ich hab es Lena nicht erzählt.«
    »Was wollten die?«
    Rotloff stieß ein zweifelndes Lachen aus. »Auf einmal wollen alle gut zu ihr sein. Heute stand ein vierschrötiger Kerl vor der Tür und wollte Lena sprechen. Seinen Namen hat er nicht genannt.«
    »Können Sie ihn beschreiben?«
    »Wie dieser französische Schauspieler mit der platten Nase. Aus den Sechzigern.«
    »Lino Ventura?«
    »Genau. Den meine ich.«
    »Was wollte er?«
    »Mit Lena sprechen halt. Das hab ich abgelehnt. Da hat er mir Geld angeboten.«
    »Wofür?«
    »Er hat drumherum geredet. Dass er Lenas Situation verbessern wollte, so in der Art. Und dass es gut wäre, wenn sie die Sache vergessen könnte. Am besten vollständig.«
    »Wie viel hat er geboten?«
    »Er hatte einen Umschlag dabei, der quoll über vor Hundertern. Ich hab ihn zum Teufel gejagt.«
    »Respekt«, sagte Schwemmer. »Hatte Ihre Tochter das Foto da schon gesehen?«
    »Ja. Aber wenn nicht, hätte ich nicht anders reagiert.«
    »Das glaube ich Ihnen«, sagte Schwemmer. Der gerechte Zorn, den dieser Mann ausströmte, war beeindruckend. »Sie sagten ›Leute‹. War noch jemand da?«
    »Ja. Ein Anwalt. Gestern schon. Er hat seine Hilfe angeboten, wenn Lena noch einmal Anzeige erstatten würde. Gratis.«
    »Sekunde … Der wollte, dass sie Anzeige gegen Ronald Unterwexler erstattet ? Wer war das?«
    Rotloff zog eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie Schwemmer.
    Rockenhäuser Nowak Fleckenstein, Anwälte, München , las Schwemmer. Die Karte sah nobel aus.
    »Wie kommen die auf Sie?«, fragte er.
    »Das hat er nicht gesagt. Er hat aber versprochen, dass sie sich intensiv um Lena kümmern würden, wenn sie die Anzeige erstattet.«
    »Und? Wird sie das tun?«
    »Ich kann es mir nicht vorstellen.«
    »Warum nicht?«
    »Warten Sie, bis Sie sie gesehen haben.«
    »Wo ist sie?«, fragte Schwemmer.
    »Sie wartet im Auto. Es kostet sie sehr viel Überwindung, mit Ihnen zu reden. Bitte seien Sie rücksichtsvoll. Ich meine, wirklich rücksichtsvoll. Nicht so wie Ihre Kollegen.«
    Schwemmer nickte begütigend. Rotloff ging zurück zum Tor und winkte. Schwemmer war klar, dass er Lena Rotloff mit allergrößter Vorsicht behandeln musste, trotzdem war er nicht vorbereitet auf das Wesen, das nun durch das Friedhofstor trat.
    Das Mädchen wirkte wie durchsichtig. Sie war relativ groß, wohl über einen Meter siebzig, aber sie war mager wie ein Strich. Die glatten blonden Haare waren dünn wie die einer alten Frau, sie trug sie streng nach hinten gebunden. Ihre Augen waren verborgen hinter einer großen pechschwarzen Sonnenbrille. Über ihrer Schulter hing eine überdimensioniert wirkende Stofftasche, die sie wie einen Schutz gegen sich gepresst hielt. Ihr Vater legte einen Arm um ihre Schulter und stützte sie. Mit müden Schritten kam sie auf Schwemmer zu. Trotz der warmen Brise, die den Hang emporwehte, schien sie zu frieren.
    »Grüß Gott«, sagte sie so leise, dass die Worte fast vom Wind davongetragen wurden.
    »Grüß Gott«, antwortete Schwemmer.
    Sie richtete den Blick auf die Gräber und ließ ihn dort, auch als sie nach einer Weile zu sprechen begann.
    »Dort drüben«, sagte sie und hob schwach ihre Rechte, »da liegt die Großmama. Und der Großpapa. Ich hab sie sehr gemocht.«
    Sie sprach nicht weiter. Schwemmer wartete geduldig. Dann wies sie etwas weiter nach rechts.

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