Der Himmel über Garmisch (German Edition)
wir … die Polizei eben.«
»Ja … Aber er wird mir doch sowieso nicht die Wahrheit sagen.«
»Warten wir es ab. Versuchen Sie einfach, so viel wie möglich zu erfahren. Wann er da ist, wann nicht, wo er ist, vielleicht hören Sie mal ein Telefongespräch mit. Vielleicht lernen Sie mal jemanden aus seinem Bekanntenkreis kennen. Merken Sie sich alles. Wenn es nützt, ist es gut, wenn nicht, haben Sie sich ein paar schöne Stunden gemacht. Und bitte ohne schlechtes Gewissen.«
Sie sah betreten zur Seite, als das Wort »Gewissen« fiel, genau, wie er es erwartet hatte. Ihre Berechenbarkeit machte sie nicht gerade zur idealen Doppelagentin, aber einen Versuch war es wert. Er hoffte nur, dass er das Risiko richtig einschätzte. Mühsam unterdrückte er ein Gähnen.
»Möchten Sie noch einen Kaffee?«, fragte Frau Fuchs.
»Unbedingt«, sagte er.
***
Marie verschwand, als Carlo die Küche betrat. Er warf seinen Mantel über einen der Stühle und setzte sich.
»Hast du einen Kaffee für mich?«, fragte er.
Hardy stand auf, holte ihm einen Becher aus dem Schrank und schenkte aus der Thermoskanne ein. »Wie war’s?«, fragte er.
»Anstrengend.« Carlo trank von seinem Kaffee und sog zischend Luft ein. »Dreck. Der ist heiß!«
»Kochen muss ich ihn schon«, sagte Hardy. »Wie findest du sie?«
»Sie macht einen guten Eindruck, kein Zweifel. Wenn sie sich um Reagan gekümmert hätte statt diese besserwisserische Schwuchtel daheim … wer weiß …«
»Genau«, sagte Hardy. »Wer weiß. Habt ihr einen neuen Termin gemacht?«
»Ja. Ich hab Glück, sagt sie. Da ist jemand krank geworden.«
»Na ja. Andernfalls hätte man schon dafür gesorgt, dass da jemand ausfällt«, sagte Hardy. »Geht es dir denn jetzt einigermaßen? Im Moment, meine ich.«
»Ja. Es geht. Besser, aber nicht gut, wenn du weißt, was ich meine. Warum?«
»Schlechte Nachrichten. Gunther hat angerufen. Es gab wieder Ärger in Nürnberg.«
»Wo?«
»Wieder im Ultra. Dieses Mal ist es glimpflich ausgegangen für uns. Aber Gunther will, dass du die Bullen beruhigst. Du solltest selber mit ihm sprechen.«
»Ja. Ich ruf ihn an.«
Hardy warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
»Ehrlich«, sagte Carlo.
»Gut. Und dann dies hier …« Hardy schob das Garmischer Tagblatt über den Tisch. Der Lokalteil war aufgeschlagen. »Die Bullen machen den Fall öffentlich. Sie haben ein Foto von Claude rausgegeben.«
Carlo griff nach der Zeitung. »Ganz gut getroffen«, sagte er. »Mitten in die Stirn.«
Hardy verzog das Gesicht. »Scheint dir ja wirklich besser zu gehen.«
»’tschuldigung«, sagte Carlo. »Man erkennt ihn auf jeden Fall.«
»Das ist das Problem. Man wird ihn mit Reagan in Verbindung bringen.«
»Das Mädchen?«
»Genau«, sagte Hardy.
»Dreck …«
»Wir sollten ihr Geld bieten.«
»Ich weiß nicht. Irgendwann werden sie ihn auch ohne das Mädchen identifizieren.«
»Ja. Irgendwann. Aber vielleicht kaufen wir uns ein paar Tage damit. Denn wenn sie ihnen sagt, woher sie ihn kennt, stehen die Bullen sofort hier vor der Tür.«
»Du hast recht. Wir müssen die Firma so lange wie möglich da raushalten. Der Anwalt muss her. Ruf Kustermann an.«
Hardy suchte die Nummer im Verzeichnis und wählte. Die Mailbox meldete sich. »Lepper hier«, sagte Hardy. »Carlo benötigt Ihre Anwesenheit hier in Garmisch. Rufen Sie umgehend zurück.«
Carlo hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verdammt, wieso geht der nicht ans Telefon?«
»Es ist Samstag«, sagte Hardy.
»Das ist mir egal. Der verdient genug an uns. Ich verlange, dass ich den Kerl erreichen kann, wenn ich ihn brauche. Dreck … Können wir nicht einfach abstreiten, diesen Claude zu kennen?«
»Er hat hier gewohnt. Wenn die wollen, finden die garantiert irgendeine Spur von ihm. Ich will nicht Kustermanns Job machen, aber ich denke, wir sollten zugeben, was bewiesen werden kann. Er war hier. Ansonsten wissen wir nichts über ihn.«
»Das ist ja verdammt nah an der Wahrheit«, sagte Carlo.
»Eben. Den Rest müssen sie Reagan fragen.«
»Ja«, sagte Carlo. »Wenn sie ihn finden, dann wird es spannend.«
»Was machen wir mit dem Mädchen?«
»Geh zu ihr. Biete ihr Geld an.«
»Wie viel?«
»So viel wie nötig«, sagte Carlo. »In bar. Ich hol’s dir.«
***
Der Himmel strahlte weiß-blau, die Temperatur fühlte sich eher nach Anfang Juni als nach Ende April an, ein lauer, mäßiger Wind ging – kurz, es herrschte perfektes Wanderwetter. Schwemmer fragte sich,
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