Der Himmel über Garmisch (German Edition)
anderen Ende des Ganges. Eine offene Tür, das Schloss war zerstört. Der scharfe Geruch von Schießpulver drang aus dem Zimmer. Die Wände neben der Tür und das Türblatt waren verkohlt.
»Blendgranate?«, fragte Schafmann.
»Möglich«, sagte Schwemmer.
Das Bettzeug war zerwühlt und blutgetränkt. Davon abgesehen war es ein normales Schlafzimmer. Auffällig allerdings war ein beachtlicher Satz an extraordinärem Sexspielzeug, der auf einer Kommode ausgebreitet lag.
»Da werden Dräger und seine Jungs ja ihren Spaß haben«, sagte Schafmann.
»Herr EKHK «, rief jemand von unten. »Schaun S’ amol.«
Schwemmer wollte antworten, aber gerade noch rechtzeitig wurde ihm klar, dass der Mann Schafmann gemeint hatte. Unten an der Treppe stand Uli Schickl, einer von den alten Hasen bei den Uniformierten, mit dem Schwemmer zuletzt bei dem Fall mit der Seherin zu tun gehabt hatte. Schickl legte grüßend die Hand an die Mütze, als er Schwemmer erkannte. »In der Scheune ham s’ was gefunden«, sagte er.
Sie folgten Schickl zum Scheunentor. Die rechte Hälfte des Gebäudes wurde landwirtschaftlich genutzt, Heu lagerte dort, hinten lagen ein Pflug und andere Geräte, deren Zweck und Aufgabe sich dem Laien nicht vollständig erschloss. Die linke Hälfte war durch eine Mauer mit einer feuerhemmenden Tür darin abgetrennt. Der Kollege stand in der Tür und winkte sie in den Raum. Auch dieses Schloss war von Kugeln durchlöchert. In der Holztür im Haus hatten zwei oder drei Kugeln gereicht. Hier schien jemand ein ganzes Magazin investiert zu haben, um die Metalltür zu knacken. Auf jeden Fall hatte es gereicht.
Eine Seite des Raumes wurde von auf Paletten gestapelten Kartons eingenommen, die ihrer Beschriftung nach Bücher enthielten. Auf der anderen Seite stand eine Arbeitsplatte, darauf eine große Rolle Plastikfolie, ein Gerät, um Tüten zu verschweißen, und eine Feinwaage. Neben der Arbeitsplatte standen zwei Metallregale. Sie waren leer, aber Schickl wies auf eine kleine Plastiktüte, die vor einem der Regale auf dem Fußboden lag. Er bückte sich und hob sie mit behandschuhten Fingern auf. Sie enthielt weiße kristalline Bröckchen.
»Für mich schaut das nach Crystal aus«, sagte er und hielt sie ins Licht der metallenen Deckenlampe.
Schafmann klappte ein Messer auf und schlitzte einen der Kartons auf. Er enthielt tatsächlich Bücher. Er nahm eines heraus und studierte den Umschlag.
»›Die Diktatur der Gutmenschen‹«, las er vor. »Ja, da muss man natürlich Angst vor haben.«
»Ich nehme aber mal an, dass das Blut im Haus nicht von Gutmenschen vergossen wurde«, sagte Schwemmer.
»Da sind wir ja mal einer Meinung«, sagte Schafmann.
Draußen näherten sich Fahrzeuge. Türen klappten, Stimmen waren zu hören.
»Das ist Dräger«, sagte Schafmann.
»Ja«, sagte Schwemmer. »Lassen wir ihn seine Arbeit machen. Aber ich fürchte, er wird nicht viel finden.«
***
»Hast du dich um deine Waffe gekümmert?«, fragte Carlo.
»Ja. Sie ist weg. Ich krieg morgen eine neue. Zur Not hab ich noch die .22er.«
»Reicht eigentlich«, sagte Carlo.
»Ein bisschen mehr Bums ist mir schon lieber.«
Sie saßen im Kaminzimmer, Ula war mit ihrem Rennrad unterwegs, die einzige Form von Bewegung, die ihr Knie zuließ.
»Wir brauchen Verstärkung in Nürnberg«, sagte Carlo. »Gunther kommt jetzt schon nicht richtig zurecht. Aber woher nehmen wir die Leute?«
»Marshall Stevens«, sagte Hardy. »Er vermietet Männer. Profis.«
»Der aus Frankfurt? Wie kommst du auf den?«
»Wir waren zusammen in Südafrika.«
»Südafrika?«, fragte Carlo. »Das ist mächtig lange her, oder?«
»Ja. Gut dreißig Jahre. Wir sehen uns gelegentlich.«
»Profis sind teuer«, sagte Carlo.
»Sie nicht zu haben, könnte teurer werden.«
»Kann man dem Mann vertrauen?«
Hardy lachte, und Carlo musste grinsen. »Entschuldige«, sagte er, »blöde Frage.«
»Wenn du willst, rede ich mit ihm«, sagte Hardy.
»Tu das.«
Ula kam strumpfsockig herein. Sie war erhitzt, um den Hals trug sie ein Handtuch, mit dem sie sich durchs Gesicht fuhr.
»Gerade kam mir ein ganzer Konvoi Bullenwagen mit Blaulicht entgegen«, sagte sie und warf sich ins Sofa. »Hier scheint richtig was los zu sein. Hast deinen Funkscanner mit?«
»Klar«, sagte Hardy. »Oben.«
Carlo warf ihm einen warnenden Blick zu, den es nicht gebraucht hätte.
Hardy ging aus dem Zimmer und lief die Stiege hinauf. Der Scanner lag ziemlich vergraben in seiner Reisetasche.
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