Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Sie hasste diesen Namen. Marie hatte darauf bestanden, sie nach ihrer Mutter zu benennen. Später hatte es ihr leidgetan, aber was weiß man schon, wenn man so eine Entscheidung trifft.
»Außerdem kommen eine ganze Menge netter junger Männer. Vielleicht ist ja einer für mich dabei.«
Carlo knurrte nur. Für seinen Geschmack hatte es keinen Mangel an netten jungen Männern. Ula neigte zu freundlichen, eher intelligenten Burschen, die dann über kurz oder lang anfingen, Carlo die falschen Fragen über seine Geschäfte zu stellen. Bei Holger, Ulas letztem Favoriten, war die Beziehung noch rechtzeitig in die Brüche gegangen, bevor er misstrauisch werden konnte. Allerdings hatte Hardy mit ein paar nicht ganz fairen Tricks nachhelfen müssen. Carlo hoffte immer noch auf einen nicht ganz so netten Typen. Er konnte ruhig ein bisschen böse sein. Hauptsache, man konnte was mit ihm anfangen.
»Hast du mal daran gedacht, Levan Parashvili einzuladen?«, fragte er.
»Ach, dieser Klotz! Was hast du immer mit dem?«
»Ich mag ihn. Ein rechtes Mannsbild.«
»Ja, und säuft Wodka bis zum Umfallen. Ich glaube, unser Geschmack in Sachen Männern wird sich nicht mehr angleichen.« Sie lachte.
Carlo griff nach dem Zwölfer-Karton Champagner, der zuunterst im Kofferraum lag, und hob ihn heraus. In dem Moment, als er den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, überfiel ihn die Gewissheit, diesen Karton niemals dorthinauf tragen zu können.
Er verharrte in seiner Position, unfähig, zu entscheiden, was zu tun war. Sein Atem ging flach und hektisch. Er hatte das schon ein Mal erlebt, oder waren es zwei Male? Doch nun passierte es zum ersten Mal vor Zeugen. Carlo begann zu zittern.
»Paps?« Ula sah von der Tür zu ihm herab. »Alles in Ordnung?«
Ganz langsam löste sich etwas ihn ihm, und er schaffte es, den Karton vorsichtig auf der Treppe abzustellen. Dann setzte er sich langsam daneben auf die regennasse Stufe und fühlte sich so alt wie noch nie.
»Paps, um Gottes willen, was ist los?« Ula kam die Treppe herab und musste über den Karton steigen. »Soll ich einen Arzt rufen?«
»Nein nein, es geht schon, es geht schon«, sagte er heiser.
Langsam gelang es ihm, wieder Herr seines Körpers zu werden. Er lauschte vorsichtig in sich hinein. Das Herz schlug, wie es sollte, so kam es ihm vor.
»Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Ula.
Er schüttelte den Kopf und atmete tief und konzentriert. Schließlich stand er auf. Es ging nicht leicht, aber es ging.
»Ich weiß nicht, was das war«, sagte er mit einem Lächeln. »Es geht wieder. Alles in Ordnung.«
»Den Karton nehm ich«, sagte Ula. »Vielleicht legst du dich was hin.«
»Ja, das werd ich tun. Kannst du dafür sorgen, dass man mich eine Weile in Ruhe lässt?«
»Natürlich. Erhol dich.«
Er konnte ihren besorgten Blick nicht sehen, den sie ihm nachwarf, als er ins Haus ging. Mit kontrollierten Schritten stieg er in den ersten Stock und war froh, dass niemand in der Halle war, der ihn ansprach. Oben schloss er sein Schlafzimmer auf, streifte die Schuhe ab und ließ sich aufs Bett sinken, ohne auch nur die Jacke abzulegen.
Seine Gedanken schwirrten, aber sie schwirrten im Kreis.
***
»Ist der Kollege Grellmayer eigentlich als Zeuge vernommen worden?«, fragte Schwemmer.
»Er hat einen Bericht geschrieben. Dann hat er sich krankgemeldet«, antwortete Schafmann.
Dräger lauschte aufmerksam und trug dabei einen amüsierten Zug um den Mund. Schafmann sah ihn an und machte eine Geste mit dem Kopf in Richtung Tür.
»Schmeißt du mich jetzt raus? Wo’s grad spannend wird?«, fragte Dräger heiter.
»Genau.«
»Wie schade. Was soll ich denn Vicky erzählen, wenn sie nach Hause kommt?«
Dräger lachte, aber Schafmann blieb ernst.
»Ich hab keinen Bock auf Scherze in die Richtung. Schon gar nicht, wenn’s um Grellmayer geht.«
Schwemmer merkte auf, er hatte keine Ahnung, was Schafmann so sauer gemacht hatte.
Auch Drägers Miene verdüsterte sich ernsthaft. »Du weißt, dass ich mit der Sache absolut nichts zu tun habe«, sagte er scharf.
»Ich hab davon gehört. Und jetzt schleich di, verdammt noch mal!«
Dräger nickte sichtbar sauer und ging.
»Hoppla«, sagte Schwemmer, als Dräger aus der Tür war.
Schafmann sah verkniffen auf seinen Schreibtisch.
Grellmayer war Schwemmer noch ein Begriff. Ein blonder Hüne, Mitte dreißig. Wässrig blaue Augen, aggressiv, lauernd, hinterhältig und intrigant. Gegen Verdächtige, Zeugen und Kollegen.
»Er war ja
Weitere Kostenlose Bücher