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Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Der Himmel über Garmisch (German Edition)

Titel: Der Himmel über Garmisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schüller
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auf.
    »Erzähl«, sagte er.
    ***
    Es war ungewöhnlich still im Haus. Sonst lief meistens irgendwo Musik oder ein Fernseher. Außer ihrem Vater und ihr war niemand da. Cordula Unterwexler versuchte sich darauf zu konzentrieren, ihre Einkäufe auszupacken und zu sortieren. Das Verhalten ihres Vaters hatte sie erschreckt. Er war der starke Mann in ihrem Leben, er hatte ihr gegenüber noch nie eine Schwäche gezeigt. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass es nicht ewig so würde weitergehen. Er war weit über sechzig, aber sie hatte ihn nie als alt oder auch nur alternd empfunden. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Angst um ihn.
    Sie schrak leicht zusammen, als die Tür aufging und Reagan hereinkam, gefolgt von David und Radek, die sofort im Kaminzimmer verschwanden, wo bald darauf das Geballer eines Computerspiels begann.
    »Hi, Schwesterherz«, sagte Reagan. Seine Augen waren gerötet und sein Blick unstet. »Ist Pa auch wieder da?«
    »Ja, er ist auf seinem Zimmer. Aber er hat sich hingelegt.«
    Reagan verzog fragend das Gesicht. »Um diese Zeit? Seit wann macht er denn so was?«
    »Es geht ihm, glaub ich, nicht gut.«
    »Ich muss ihn sprechen.«
    »Lass ihn in Ruhe.«
    »Ich muss aber!«
    »Warte, bis er runterkommt.«
    Reagan sah auf seine riesenhafte Armbanduhr. »Mist … Weißt du, wo Hardy steckt?«
    »Nein. Er ist nicht hier. Was ist denn so dringend?«
    Reagan wedelte mit der Hand in der Luft herum. »Ist egal … aber hör mal, pass auf, ich muss gleich wieder weg. Wenn Hardy kommt …« Er brach ab und sah wieder auf die Uhr, dann zur Tür des Kaminzimmers, hinter der »seine Männer« saßen, wie er sie nannte. »Wenn Hardy kommt, also, wenn er kommt und ich bin noch nicht wieder da, dann sag ihm … sag ihm, ich hätt’s probiert.«
    »Was probiert?«
    »Mit Pa zu reden. Du bist Zeuge.«
    »Sag mal, was ist denn los? Was redest du denn da?«
    »Sag ihm genau das: Ich hab’s probiert.«
    »Was ist denn so verdammt wichtig?«
    »Das ist … das ist was zwischen Hardy und mir.« Er grinste schief. »Männersachen, hehe. Braucht dich … brauchst du nicht wissen.«
    »Wenn es so wichtig ist, schreib es doch auf.«
    »Nee, nee, das geht nicht. Geht gar nicht.«
    »Wieso musst du eigentlich wieder weg, du bist doch gerade erst gekommen?«
    »Wir haben eine Verabredung, gleich.« Er trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Reagan, was ist los mit dir? Hast du was genommen? Du fliegst ja gleich weg, so nervös bist du.«
    »Genommen? Was meinst du mit ›genommen‹? Meinst du etwa, ich nehm Drogen?«
    »Ach Reagan, hör doch auf, natürlich nimmst du Drogen!«
    Er zuckte zurück. »Was redest du da? Erzählst du das auch Pa? Oder Hardy?«
    »Natürlich nicht. Ich hab dich in meinem ganzen Leben noch nicht verpetzt!« Und es hätte eine Menge Gründe und Gelegenheiten gegeben, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »Wenn du das tust …«, Reagans Zeigefinger stach vor in Richtung ihres Gesichtes, »wenn du das tust …« Er drehte sich ruckartig um und ging schnellen Schrittes zum Kaminzimmer. »Los!«, rief er durch die Tür. »Wir fahren! Aufi geht’s!« Ohne auf die beiden zu warten und ohne Ula einen weiteren Blick zu gönnen, ging er aus der Haustür.
    Ula ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken und sah ihm ratlos nach, während David und Radek maulend hinter Reagan herliefen. Sie nestelte nach ihrem Handy, suchte erst nach Hardys, dann nach Gunthers Nummer, aber dann steckte sie das Gerät wieder ein.
    ***
    Sie saß an demselben Tisch, an dem sie das erste Mal gemeinsam gesessen hatten. Sie war nicht wirklich sein Typ, ein bisschen zu brav, mittelblond, Haare zu sorgfältig gemacht, sodass es streng wirkte. Man sah ihr die langen Ehejahre an, die sie hinter sich lassen wollte.
    Aber sie war nicht unansehnlich. Vom Alter her passte es sogar halbwegs, sie war vielleicht acht Jahre jünger als er. Er konnte sich mit ihr sehen lassen, ohne dass sich jemand darüber Gedanken machen würde. Er hauchte einen Kuss auf ihre Hand, bevor er sich setzte. Sie strahlte ihn an.
    »Man kann sich so wunderbar mit Ihnen unterhalten«, hatte sie gesagt, bevor sie ihm das Du angeboten hatte. Frauen sagten das gelegentlich zu ihm. Meist, wenn sie einen ganzen Abend auf ihn eingeredet hatten, während er ab und an genickt oder zustimmend geknurrt hatte. Manchmal war so eine Fähigkeit von Nutzen – von echtem Nutzen. Zum Beispiel, wenn die Dame im Laufe des Abends von ihrem Job zu erzählen begann – und

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