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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Judomskoje.
    »Alles in Ordnung, Ilja?«
    »Alles, Genosse. Piotr Alexandrowitsch Tagaj ist bereits auf der Wanderschaft. Mit sieben Arbeitern und Bäuerinnen machen wir die Datscha sauber. Tagaj hat gehaust wie eine Sau! Aber wenn wir hier fertig sind, wird keiner mehr die Datscha wiedererkennen. Wir polieren sie wie ein Diadem.«
    »Gut so, Ilja. Man wird uns loben!«
    »Gott geb's.«
    Und Tschetwergow war so großzügig, den reaktionären Ausdruck ›Gott‹ zu überhören.
    *
    Drei Tage später, nachdem es in guteingeweihten Kreisen bekanntgeworden war, daß Malenkow regieren und einen weicheren Kurs einschlagen würde, kamen Hauptmann Perwuchin und Oberleutnant Sergeij Pantalonowitsch Kaljus stiefelknallend in die Lazarettbaracke.
    Wanda Kolzwoskaja hatte sie schon vom Fenster aus kommen sehen. Sie erwartete die Offiziere in aufrechter Haltung, fast herausfordernd mit vorgerückter Brust und flammenden Augen. Eine gefangene Tigerin, die dressiert werden soll. Oberleutnant Kaljus blieb einen Augenblick verwundert stehen und betrachtete die wilde Schönheit der Ärztin, die ihm nie so sehr aufgefallen war wie in dieser Stunde, da er in das Zimmer trat. Hauptmann Perwuchin achtete nicht darauf … er war ein politischer Eiferer, für den es keine andere Schönheit gab, als die der Partei.
    »Kapitän!« sagte er scharf. »Wir haben den Befehl, den Gefangenen Boris Horn nach Alma-Ata zu schicken.«
    »Holt ihn euch!« sagte die Kolzwoskaja. Sie lächelte. Ihr weißes Gebiß leuchtete zwischen den roten Lippen. »Er liegt auf Zimmer 4.«
    »Danke!« Perwuchin grüßte. Immer korrekt, auch wenn die Kolzwoskaja seit zwei Tagen abgehalftert war.
    Vor Zimmer 4 blieb er stehen. Kaljus, der die Tür mit der roten Schrift kannte, grinste leicht.
    »Was soll das?« fragte Perwuchin. Die alte Scheu vor dem Wort SARASA (Infektion) machte auch ihn unsicher.
    »Da liegt Boris Horn.« Kaljus hob die Schultern.
    »Was hat er?«
    »Darüber kann nur die Kolzwoskaja was sagen.«
    Hauptmann Perwuchin reckte den Kopf. Dann drückte er die Klinke herunter und betrat das Zimmer. Im Bett fuhr Boris hoch und starrte auf die eintretenden Offiziere.
    Das Ende, dachte er blitzschnell. Der Betrug Wandas ist bekanntgeworden. Jetzt werden sie mich erschießen! Er blieb im Bett sitzen und sah den beiden Offizieren in die Augen, die an der Tür stehen blieben.
    Leb wohl, Erna-Svetlana, dachte Boris. Dann aber lächelte er. Sie ist ja schon tot, dachte er. Ich werde sie jetzt endlich wiedersehen. Ein Wort des alten Pfarrers fiel ihm ein: Das Leben ist nur eine Vorbereitung auf die Seligkeit.
    »Ich bin bereit«, sagte er laut. Hauptmann Perwuchin zuckte zusammen.
    »Was haben Sie, Genosse Horn!« fragte er, an der Tür stehenbleibend.
    »Eine Furunkulose.« Boris Horn schlug die Decke zurück. Auf seinem linken Oberschenkel glänzten drei dicke, rotumränderte Geschwüre.
    »Und sonst?«
    »Sonst weiß ich nichts.«
    Perwuchin sah Oberleutnant Kaljus an. »Ist Furunkulose ein Hinderungsgrund?«
    »Nein! Sie kann überall ausgeheilt werden.«
    »Und – und das andere?«
    »Wir müssen die Kolzwoskaja fragen.«
    Hauptmann Perwuchin wandte sich wieder zu Boris, aber er blieb immer noch an der geöffneten Tür stehen.
    »Wir werden Ihnen Sachen zum Anziehen bringen lassen. Und dann warten Sie, bis man Sie holt, Genosse.«
    »Sachen …« Boris Horn sprang aus dem Bett. Trotz der Schmerzen seiner Furunkel ging er ein paar Schritte. Schnell wichen Perwuchin und Kaljus zurück.
    »Bleiben Sie stehen!« brüllte Perwuchin.
    »Was habt ihr mit mir vor?« stotterte Boris.
    »Sie kommen weg, nach Alma-Ata!«
    »Nach Alma –« Boris schluckte. »Was soll ich in Alma-Ata …?«
    »Sie werden begnadigt, Genosse Boris.«
    Es war, als risse in Boris das Herz auseinander. Er wankte … er griff um sich, tastete sich zur Wand und stützte sich an ihr ab. Vor seinen Augen drehten sich die Köpfe der beiden Offiziere wie rasend rotierende Monde. Er wollte sprechen, aber seine Stimme war weg … er rang nach Atem, nach einem Laut, nach einem einzigen Ton. Schließlich stöhnte er.
    »Be … be … begnadigt …«
    »Machen Sie sich fertig.« Perwuchin grüßte und verließ schnell das unheimliche Zimmer. Kaljus folgte ihm wie ein Schatten. Auch ihm war unbehaglich.
    An seinem Bett fiel Boris in die Knie. Er breitete die Arme aus und schlug mit dem Kopf gegen die Bettkante.
    »Begnadigt …«, wimmerte er. »Frei … frei – und Svetla ist nicht mehr da. – Warum

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