Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
schrieb er darunter:
    Dort, wo wir Ruhe haben werden für alle Zeit. Dort, wo wir wissen: Hier ist meine Heimat.
    Dort, wo Frieden ist!
    Es war ein Ort, den ihm niemand auf unserer Erde anweisen könnte –
    *
    Als Erna-Svetlana wieder aufstehen konnte, wunderte sie sich, daß Boris sich weniger Mühe gab als bisher. Ein Feld war noch nicht bestellt worden, seit Tagen hatte er die Pferde auf der Steppe nicht mehr kontrolliert … als ein Sommerbär gemeldet wurde, schickte er einen Knecht hinaus, wo er früher immer selbst gejagt hatte.
    »Bist du krank, Bor?« fragte Erna-Svetlana zärtlich, als sie eines Abends nebeneinander im Bett lagen. »Du bist so ernst geworden! Mischa und Mascha sagen schon: Der Papa spielt nicht mehr mit uns! Hast du Sorgen, Bor?«
    »Nein, Svetla«, log er und küßte sie.
    »Aber irgend etwas ist doch mit dir!«
    Boris hob die Schultern. Er würgte an den Worten, dann griff er zur Seite und legte die Hand auf Svetlanas bloße Schulter. Die Berührung ihrer glatten, kühlen Haut, das Fühlen ihrer langen, seidigen Haare verschloß ihm wieder den Mund, in dem schon die ersten schrecklichen Worte der Wahrheit lagen, die er ihr offenbaren wollte.
    »Es ist wirklich nichts«, log er von neuem. »Schlaf, mein Liebling. Vielleicht habe ich etwas Sorge vor dem Winter … es soll ein strenger Winter werden, schreiben sie in der Zeitung.«
    »In Kasakstan ist alles mild«, sagte Erna-Svetlana glücklich. Sie dehnte sich, schob den Kopf an Boris' Brust und schlief nach wenigen Atemzügen ein, wie ein kleines Mädchen, das die beruhigende Nähe der Mutter spürte.
    Boris lag noch lange wach und starrte gegen die getünchte Decke, auf die der Mondschein die Gittermuster der Gardine riesengroß und verzerrt projizierte. Wie ein Wahngebilde sah es aus, wie die Zeichnung eines Riesen.
    Ilja Sergejewitsch Konjew hatte ihn gestern zu sich bestellt. Amtlich, wie er sagte. Ausgesprochen amtlich war dann auch der Ton der Unterhaltung gewesen.
    »Du bist ein Riesenochse!« hatte Konjew als Einleitung gebrüllt. »Was hast du in den Fragebogen geschrieben, du Kretin?«
    »Ich habe nur die Fragen beantwortet, die darin standen«, hatte Boris erstaunt erwidert.
    »Du hast die Sowjetunion provoziert!« schrie Konjew weiter. »Hier – Tschetwergow hat es rot unterstrichen und an den Rand geschrieben: Frechheit! – steht deutlich: Wo wollen Sie in Zukunft wohnen? Antwort: Dort, wo Frieden ist! – Das ist Provokation, Genosse! Das ist ein Faustschlag in das Gesicht unserer Republik! Ist in Rußland kein Frieden?«
    »Für uns, Konjew? War hier je für uns Frieden?«
    »Hast du nicht gelebt wie die Mäuse im Kornhaus?! Hast du keine Datscha? Hast du nicht drei Kinder zeugen können? Hast du nicht die schönsten Pferde in der Steppe, die fettesten Schweine, die besten Rinder? Und du, gerade du Misthund, schreibst hinein: Dort, wo Frieden ist?! Für diesen Satz sollte man dich wieder nach Ust-Kamenogorsk schicken!«
    »Das höre ich jetzt immer wieder. Ust-Kamenogorsk! Schickt mich doch zurück! Ich weiß, daß ich nichts mehr zu erhoffen habe. Eure Heuchelei ist widerlich.«
    »Beim nächsten Transport nach Deutschland bist du dabei!«
    »Auch das weiß ich schon.«
    »Von wem?«
    »Von Tschetwergow.«
    »Raus!« kommandierte Konjew bleich vor Enttäuschung. Als Boris das Zimmer verlassen hatte, rief er sofort in Alma-Ata an. »Was soll ich denn noch hier?« keifte er Tschetwergow an. »Alles, was ich diesem Boris sage, weiß er bereits von Ihnen! Mit nichts kann ich ihn überraschen! Was soll das, Genosse? Wenn Sie mir alles vorwegnehmen –«
    »Strengen Sie Ihr brachliegendes Gehirn etwas an, Konjew«, sagte Tschetwergow grinsend. Leider sah Konjew dieses Grinsen nicht. »Beackern Sie die ausgedörrten Furchen Ihres Hirnes – vielleicht bringen Sie wilden Weizen zum Blühen!«
    Zitternd vor Wut legte Konjew den Hörer auf.
    Wenige Tage später nahm ihm Tschetwergow den letzten und größten Triumph weg. Er erschien selbst in Judomskoje und fuhr hinaus zur Datscha. Konjew sah es von seinem Fenster aus. Daß Tschetwergow ihn nicht mitnahm, war mehr als verdächtig.
    »Ich gehe in den Wald, Marussja«, schrie er in die Küche hinein. Dann ritt er schnell weg, schlug um die Datscha einen Bogen und näherte sich von hinten den Gebäuden. Der Wagen Tschetwergows stand im Hof vor dem Herrenhaus … aber alle Fenster waren geschlossen, und Konjew schlich um die Gebäude wie ein Hund, der eine heiße Hündin wittert,

Weitere Kostenlose Bücher