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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weg … und was übrig blieb, war nur noch ich!«
    »Es waren schlimme Zeiten, Brüderchen«, sagte Konjew philosophisch. »Aber heute ist das anders. Es wird keinen Krieg mehr geben, denn sie alle haben Angst vor den Atombomben. Es wird tatsächlich nur eine statistische Liste sein. Kommst du 'rüber und trägst dich ein?«
    »Wenn es Befehl ist.«
    »Es ist Befehl! Kommt ja aus Moskau.«
    »Dann bis heute abend.«
    »Schön, schön, Brüderchen.«
    Konjew ritt wieder zurück nach Judomskoje. Er war mit sich sehr zufrieden. Der Trick war gelungen. Eigentlich war er doch ein toller und geistreicher Kerl, dachte er von sich selbst. Man hat das Zeug zum Diplomaten, nur versauert man hier in der Steppe von Kasakstan. Welch ein lahmer Hund ist doch dagegen Tschetwergow.
    Boris stand an der eingefaßten Quelle und sah in das die ausgehöhlten Baumstämme hinabsprudelnde Wasser. Sie erfassen wieder alle Deutschen, dachte er voll Schrecken. Können wir denn nie zur Ruhe kommen?! Ist alle unsere Arbeit, die wir hier in Rußland tun, nichts gegen den Wahnsinn der Politik, gegen die Ideen in ein paar Hirnen?
    Er dachte an Erna-Svetlana, die noch im Wochenbett lag, und an ihre Angst, wenn sie von dem Befehl aus Moskau erfahren würde. Und er beschloß, Svetlana nichts davon zu sagen.
    *
    Die Liste, über die Konjew später seinen verfänglichen Satz: Antragsliste zur Rückführung nach Deutschland, setzte, ging am nächsten Morgen schon nach Alma-Ata. Tschetwergow staunte minutenlang, als er die Unterschrift Boris Horns neben der Eintragung las: Boris Horn, Erna-Svetlana Horn und drei Kinder, Rudolf, Maria und Natascha.
    Wie hat dieser Konjew das nur gemacht, grübelte er. So ganz ohne Aufsehen, ohne Krach, ohne Gewalt?! Er wächst mir über den Kopf, der gute Ilja Sergejewitsch! Man muß ihn im Auge behalten, denn nichts ist schlimmer, als sich seinen Nachfolger großzuziehen.
    Es ist ein blutender Stachel im Herzen, zu sehen, daß ein anderer mehr kann als man selbst. Tschetwergow spürte diesen Dorn in sich und tat etwas, um Konjew zu übertreffen. Er bestellte Boris Horn zu sich nach Alma-Ata, nachdem er von Moskau aus die Instruktionen bekommen hatte, daß im Herbst die ersten Transporte mit den ›freiwilligen Aussiedlern‹ nach Deutschland abgehen würden.
    »Genosse«, sagte Tschetwergow sehr ernst, als Boris mit gespannten Augen und ahnend, was kommen würde, vor ihm saß. »Genosse – Ihre Datscha ist herrlich, Sie sind ein fabelhafter Pionier, Sie haben eine Arbeitsbrigade herangezogen, die einmalig ist, Sie sind der beste Bauer von Kasakstan – mir bricht es das Herz, daß Sie uns verlassen wollen.«
    »Was will ich?« fragte Boris überrascht.
    »Sie haben doch einen Antrag unterschrieben, daß Sie als Deutscher zurück nach Deutschland wollen.«
    »Nie!«
    »Aber doch! Ihr Antrag liegt bereits bei der Aussiedler-Zentrale in Moskau. Ich habe selbst Ihre Unterschrift gelesen.«
    »Das muß ein Irrtum sein!« Boris sprang vom Stuhl hoch und beugte sich über den Tisch zu Tschetwergow vor. Er sah in die kleinen, zusammengekniffenen, asiatischen Schlitzaugen, er sah den weißlichen Tatarenbart und die gelben Hautsäcke unter den Augen. In diesem Augenblick wußte er, daß er überspielt worden war, daß man einen Tölpel aus ihm gemacht hatte, den man abschob in ein Land, das er nicht kannte und von dem er nur die Erinnerung mitgebracht hatte von seinem Vater, der mit gespaltenem Schädel neben der Scheune lag, und seiner Mutter, die geschändet an einem Heuwagen hing.
    »Ihr seid ja solche Lumpen«, sagte er bitter. Aber es war keine Auflehnung in diesen Worten, sondern nur tiefe Traurigkeit. Tschetwergow lächelte hintergründig.
    »Sie sollten glücklich sein, in Ihre Heimat zurückzukommen.«
    »Ich bin in Rußland geboren!«
    »Das höre ich schon seit Jahrzehnten!« Tschetwergow betrachtete seine gelben, langen Finger, deren Haut wie ausgetrocknetes Pergament wirkte. »Wissen Sie, daß Stalin wieder im Kurs steigt?! Wissen Sie, daß man Ihre Akten vom NKWD wieder angefordert hat? Der Fall Borkin ist noch nicht abgeschlossen. Begnadigungen kann man wieder rückgängig machen!«
    »Ich soll zurück nach Ust-Kamenogorsk?« sagte Boris leise. Er spürte, wie es kalt über seinen Körper lief, wie sich die Zunge vor Schreck lähmte und das Blut vereiste. Ust-Kamenogorsk … die Bergwerke im Altai, das Lager mit den täglichen hundert Toten. Tschetwergow hob die Schultern.
    »Es liegt vieles in der Luft, Genosse

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