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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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besinnt, ein guter Deutscher zu sein!«
    *
    Die Morgensonne schien grell über die Steppe, und Boris inspizierte die Pferdekoppeln, als Konjew zu ihm geritten kam und vor ihm absaß.
    »Ich habe mit dir zu sprechen«, sagte er. »Amtlich, Genosse.«
    »Und dazu kommen Sie heraus? Hat es nicht Zeit, bis wir uns heute abend auf der Datscha sehen?«
    »Zeit hat es schon, Genosse. Nur möchte ich mit dir allein reden. Es ist wichtig und ernst, und Svetlana soll es nicht hören. Sie ist noch schwach durch das Kindchen.«
    Boris lehnte sich gegen einen Baumstamm, der in die Erde gerammt worden war, um in der Weite der Steppe die Stelle zu markieren, wo die hölzernen Tränken standen und das Wasser aus einer gefaßten Quelle durch halbierte, ausgehöhlte Baumstämme heranfloß.
    »Wenn Sie so rücksichtsvoll sprechen, Ilja Sergejewitsch, muß es etwas Wichtiges sein. Erwarten wir eine Kontrolle des Landwirtschaftsministers?«
    »Wenn es das wäre, wäre ich nicht gekommen. Nein.« Konjew zog sein Gesicht in tiefe Kummerfalten. Er spielte seine Rolle vorzüglich. »Es ist etwas anderes aus Moskau gekommen. Eine Liste –«
    »Eine Liste?«
    »Eine neuerliche Erfassung aller deutschstämmigen Bauern in der Sowjetrepublik. Auch du mußt dich eintragen, Boris.«
    Es war ein Trick, den sich Konjew in zwei schlaflosen Nächten ausgedacht hatte. Wenn sich Boris in eine fingierte Liste als Deutscher eintrug, konnte er später nie leugnen, einer zu sein. Über der Liste aber stand: Eintragung zum Abtransport nach Deutschland. Zwar würde Konjew diese Überschrift erst einsetzen, wenn sich Boris Horn eingetragen hatte … aber auf solche Schönheitsfehler kam es im Interesse der großen Sache nicht an.
    Boris Horn sah Konjew verblüfft an. »Was soll das, Konjew? Ich habe hier vom Sowjetstaat eine Datscha bekommen, ich habe Auszeichnungen …«
    »Befehl aus Moskau«, unterbrach Konjew. »Du kennst sie doch, die Befehle. Sie sind sinnlos, aber sie müssen befolgt werden. Keiner kennt sich da aus. Vielleicht braucht man es zu statistischen Zwecken? Wir sind groß in Statistik, du weißt es doch.«
    »Wenn es so harmlos ist, warum kommst du dann extra heraus in die Steppe? Warum sagst du, es sei ernst?!«
    Konjew biß sich auf die Unterlippe. Teufel, Teufel, dachte er. Man soll jedes Wort abwägen und erst denken, ehe man es ausspricht. Tschetwergow würde wieder sagen: Die Idioten sind die langlebigsten Menschen!
    »Ernst ist es deswegen«, sagte Konjew schnell, »weil man nie weiß, was sie in Moskau wollen. Adenauer war im Kreml …«
    »Wer ist Adenauer?« fragte Boris Horn.
    »Liest du keine Zeitung?«
    »Nur die Erzählungen. Ich lese nie die Politik. Ich habe mir geschworen, nie mehr zu lesen, wie wahnsinnig die Menschen sind, wenn sie sich in eine Idee verbohren. Die Welt ist groß, ein jeder von uns hat hier Platz und kann leben von dem, was die Erde ihm schenkt. Ich begreife es nicht, warum wir uns zerfleischen, wo wir die Möglichkeit haben, gemeinsam für uns alle zu arbeiten.«
    »Wer begreift es, Brüderchen? In Westdeutschland rüsten sie, in Amerika rüsten sie, in England, in Frankreich … und auch wir rüsten und die Ungarn, die Polen, die Ostdeutschen, die Bulgaren. Alle, alle schaffen Waffen heran, bauen Atommeiler, stellen Atomraketen auf … man darf nicht denken, Genosse. Jeder hat Angst vor dem anderen, aber keiner weiß, warum er Angst hat. Die Staatsmänner sagen es ihnen: Ihr habt Angst zu haben … denn wenn ihr keine Angst voreinander habt, können wir ja nicht rüsten. Aber wir wollen rüsten, denn Rüstung bringt Milliarden Mark oder Rubelchen in die Kassen derer, die uns zu Staatsmännern erhoben. Man darf sie nicht enttäuschen, die Guten. Und die Minister, die man für die Rüstung einstellte, müssen beweisen, daß es gute Minister sind, die es verstehen, die Milliarden an die Männer zu bringen.« Konjew schwieg plötzlich. Er fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Hals und Kragen. »Das sage ich nur dir, Boris. Und wenn es wirklich einmal böse kommt, ist es besser, als Deutscher in Deutschland zu sein.«
    »In Deutschland?« Boris blieb abrupt stehen. »Was soll das heißen?« Er sah, wie Konjew auf seine Unterlippe biß und faßte ihn an den Rockaufschlägen. »Konjew, Sie verschweigen mir etwas! Sie wissen, was diese Listen sollen! Ich kann mich erinnern – damals war ich ein kleiner Junge – wie auch jemand Listen in das Haus meines Vaters brachte, die er ausfüllen mußte. Dann kamen wir

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