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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommt?« fragte Boris ungläubig.
    »Die neuen Herren.« Die Stimme Erna-Svetlanas war ruhig und von einer ergreifenden Gelassenheit. »Hast du geglaubt, Bor, in diesem Lande jemals etwas anderes zu sein als ein Sklave?«
    Tschetwergow begann wieder, sich mit dem seidenen Taschentuch zu bewedeln. »Erna-Svetlana – warum beleidigen Sie Rußland? Wären Sie nicht eine Deutsche und damit Angehörige eines Landes, das merkwürdigerweise in der ganzen Welt keine ehrlichen Freunde hat, würden Sie Rußland lieben.«
    »Ich liebe es ja, Tschetwergow. Ich ginge nie aus Kasakstan weg! Die Felder, die Steppen, die herrlichen Obstplantagen, die Blüte der Apfelbäume, die wundervollen Pferde, die Wälder … und dieser herrliche Himmel, an dem die Sonne wie ein glühender Tropfen aus Gold hängt, als sei er der funkelndste Stein in einer Kette, die Gott um den Hals trägt –«
    »Gott?« Tschetwergow zog die gelbe Stirnhaut hoch. »Auch wieder ein fremder Begriff. Wer ist Gott? Ist er als Genosse in der Partei eingetragen?« sagte er spöttisch. »Ist er stärker als Chruschtschow?«
    »Ja.«
    »Svetlana!« Tschetwergow schnellte empor.
    »Er gibt mir die Kraft, alles, was von Moskau oder aus Alma-Ata kommt, zu ertragen! Er hat mir auch die Kraft gegeben, in Ust-Kamenogorsk zu leben. Was kann es Schlimmeres geben als diese Wochen?« Sie lächelte … tatsächlich, sie lächelt, durchrann es Tschetwergow. »Was soll mit uns werden?«
    »Ihr kommt zurück nach Deutschland.«
    »Wo wir schon einmal waren?«
    »Das ist jetzt polnisch! Nein – nach Westdeutschland. In das Land der Bonzen und Kriegstreiber! Und eines Tages wird dein Boris ein Soldat sein und im grauen Rock gegen Rußland marschieren! Ihr Deutschen habt es immer so gemacht – ihr habt die Kriege verloren, aber immer wieder habt ihr neue Kriege angefangen. Es ist fast schon eine Perversität!«
    »Wann?« fragte Erna-Svetlana. Tschetwergow sah sie dumm an.
    »Was – wann?«
    »Wann müssen wir weg?«
    »Das ist noch nicht bekannt. Aber in vier Tagen kommen die neuen Pächter. Ihr könnt weiter hier wohnen, bis die Transporte gehen. Und arbeiten müßt ihr auch!«
    »Als Knecht und Magd für einen neuen Pächter?«
    »Bist du je etwas anderes gewesen?« sagte Tschetwergow gehässig. »In Deutschland werdet ihr nichts andres sein!«
    »Wer ist der neue Pächter?«
    Die Frage war Tschetwergow sehr unangenehm. Er hatte sie erwartet und gefürchtet. Weniger, weil sie ihn in seinen Plänen stören konnte, denn da gab es nichts, was ihn hindern konnte, sondern weil er freimütig aussprechen mußte, welch eine schäbige Haltung und welches niedrige Spiel mit Boris und Svetlana getrieben wurde.
    »Sergeij Alexandrowitsch Njomez«, sagte er betont gleichgültig.
    »Woher?«
    »Was geht's dich an?«
    »Aus Alma-Ata.« Svetlana sagte es, und Tschetwergow und Boris fuhren wie nach einem Schlag herum. »Es ist der Vetter von Genosse Tschetwergow.«
    »Woher weißt du das?« schrie der Tatare.
    »Von Marussja.« Svetlana lächelte schwach. »Ich weiß seit zwei Wochen, daß wir fortmüssen aus Kasakstan –«
    *
    Als der neue Pächter mit zwei großen Lastautos von Alma-Ata herüberkam und die Datscha übernahm, lag Marussja im Bett und kühlte ein dick geschwollenes Auge mit kaltem Wasser. Konjew erschien zum Empfang des neuen Bauern mit einigen Kratzern im Gesicht. »Mir sind bei einer Iltissuche die Zweige ins Gesicht geschlagen«, sagte er mißmutig. »Im übrigen willkommen in Judomskoje.«
    Sergeij Alexandrowitsch Njomez war ein schmächtiger Mann mit sieben Kindern, der aussah, als habe er die Auszehrung. Er bewunderte die Datscha wie ein Schloß und wagte es kaum, sich in die Sessel zu setzen oder sich auf dem weißgedeckten Tisch das Begrüßungsmahl von Erna-Svetlana servieren zu lassen.
    »Der Herr möge es gut haben«, sagte sie mit leiser Stimme. »Die Kinder werden sich glücklich hier fühlen.«
    Boris Horn stand neben dem Stall und sah stumm zu, wie die Wagen mit den Möbeln entladen wurden. Es waren alles neue Sachen. Wo hat er nur das Geld her, dachte er. Wie er aussieht, hatte er bis jetzt nichts zu essen und belegte seine Brote mit dem eigenen Daumen. Auch Konjew staunte, denn er kannte – dem Hörensagen nach – Njomez als einen ganz armen Teufel, der am Rande von Alma-Ata gewohnt hatte, in einem Schrebergarten voller Apfelbäume, und der von einer Eselin lebte, aus deren Milch er sich sogar Butter machte. Und jetzt fuhr er mit zwei Lastwagen neuer Sachen

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