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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Suppe aus Kapusta mit Graupen, den berühmten russischen kasch, die von den sowjetischen Begleitsoldaten dreimal in der Woche ausgegeben wurde. Dann schob man die Türen der Waggons auf, warf die in den beiden Tagen Gestorbenen einfach hinaus, leerte die Abortkübel, goß die Suppe in einen Eimer und warf die Türen wieder zu.
    Sechs Wochen lang fuhren sie durch Rußland.
    Sie wußten es nicht. Sie hatten es aufgegeben, die Tage zu zählen. Die Zeitbegriffe verschwammen … man schlief, aß, verrichtete seine Notdurft und schlief weiter. Oder man starb.
    In Alma-Ata wurden sie nach sechs Wochen ausgeladen.
    Das Ziel, Kasakstan, war erreicht.
    Auf dem Güterbahnhof erwartete sie der Distriktsowjet, Stephan Tschetwergow. Er trug eine hohe Fellmütze, hatte über der Oberlippe einen dünnen, langen Tatarenbart, sah aus wie ein Reiter Dschingis-Khans und besaß das Gemüt eines Schakals. Als die ersten Wagen geöffnet wurden und die halbtoten Deutschen vom Waggon in den Sand fielen, lachte er schallend und bog sich in den Hüften.
    »Neue ehemalige Genossen!« schrie er mit einer heiseren Stimme, als die Überlebenden wankend und vor Entkräftung und der plötzlichen Sonnenhelle fast umgeworfen vor ihm standen. »Der größte Mensch aller Zeiten, Josef Stalin, hat euch zurückgeholt in die wahre Heimat! Ich begrüße euch, Genossen! Ihr werdet neue Höfe bekommen und neues Land und werdet ackern und ernten zum Segen unserer glorreichen Sowjetunion!«
    Sie bekamen zum erstenmal seit neun Wochen ein richtiges Essen. Rindfleisch und eine Graupensuppe, so dick, daß die Löffel drin standen. Dann wurden sie auf Lastwagen verladen und weggefahren.
    Die Steppe nahm sie auf … die neue Heimat.
    Das Dorf hieß Judomskoje. Es lag in der Nähe des riesigen Balchasch-Sees, westlich der Dsungarei, in der Nähe der unendlichen Hungersteppe der Kirgisen.
    Sie waren in Asien. Am Ende der Welt.
    Der Dorfsowjet Iljitsch Sergejewitsch Konjew, der stolz darauf war, so zu heißen wie der berühmte Sowjetgeneral, sah verblüfft auf die kleine Erna-Svetlana, die nach der Verteilung der Häuser allein auf dem Dorfplatz vor der üblichen stolowaja stand, einen kleinen Pappkarton mit ihren Sachen neben sich im Steppengras. Ihr Gesichtchen war eingefallen und gelbblaß, ihre Arme so dünn, als läge kein Fleisch zwischen Knochen und Haut. Einsam stand sie auf dem leeren Platz, während die Bauern ihre armseligen Hütten durchgingen und glücklich waren, dem Leben wiedergegeben zu sein.
    »Zu wem gehörst du denn?« fragte Iljitsch Sergejewitsch Konjew.
    »Ich gehöre zu keinem.«
    »Mit wem bist du denn gekommen?«
    »Mit den anderen. Aber ich bin allein.«
    »Das gibt es doch gar nicht.« Konjew kratzte sich den Kopf. In seinen Verfügungen stand alles, was er zu tun hatte, und er tat es, dem Buchstaben getreu. Von einer Vollwaise stand nichts darin. Es war ein Präzedenzfall, der Eigeninitiative verlangte. »Was mach ich nur mit dir?« fragte er und kratzte sich wieder den Kopf. »Ich muß erst in Alma-Ata nachfragen.«
    »Ich kann putzen, spülen, wischen, sogar ein bißchen kochen«, sagte Erna-Svetlana etwas ängstlich. »Ich kann alles.«
    Konjew schob die Unterlippe vor. »Unangenehm«, murmelte er. »Sehr unangenehm. Ein Kind, das zu keinem gehört.« Er winkte Svetlana und wandte sich um. »Komm mit. Wir werden morgen jemanden finden, der dich aufnimmt.«
    Bis in den frühen Mittag hinein schlief Erna-Svetlana. So, wie sie sich hingelegt hatte, lag sie auch noch am Morgen. Es war ein bleierner Schlaf, fast einer Lähmung gleich.
    Konjew ließ sie schlafen. Er ging schon am frühen Morgen von Haus zu Haus und besichtigte die Neuankömmlinge. Die Höfe, die sie bekommen hatten, waren armselig und verfallen. Es waren Häuser ehemaliger Verbannter, die gestorben oder weitertransportiert worden waren. Seit zwei Jahren standen sie leer, die Felder verunkrauteten, versteppten, versandeten durch den Flugsand, der von West-Turkestan herüberwehte. Man würde Monate brauchen, ehe der Boden wieder trug … Monate des Hungers und des Elends, der Einsamkeit und Trostlosigkeit. Nur der kleine Fluß Kumin würde mit seinen Fischen, den Lachsen und Stören, Nahrung geben.
    Iljitsch Sergejewitsch Konjew schüttelte den Kopf und kehrte nach Hause zurück. »Ich kann sie doch nicht verhungern lassen«, sagte er zu Marussja, seiner Haushälterin. »Davon steht nichts in den Verordnungen.«
    »Sie ist eine Deutsche. Laß sie verrecken«, sagte Marussja

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