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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wachsenden Leib. »Möge es das alles nicht kennen.«
    »Dafür kämpfen wir ja, Veraschka –«
    *
    Wieder gingen zwei Jahre vorüber.
    Der kleine Piotr machte an Vera Petrownas Hand die ersten Gehversuche. Die neunjährige Erna-Svetlana fuhr schon mit hinaus aufs Feld und brachte die Ernte mit ein. Man hatte keine Zeit mehr, ein Kind zu sein. Die deutschen Armeen gingen zurück, sie wurden zerschlagen, überfahren von den russischen Panzern, in die Erde gedrückt oder zerrissen von den Raketengeschossen, den Stalinorgeln.
    Ab und zu kam ein Brief Rudolf Bergners an. Kurze Schreiben, die Vera Petrowna wie ein Heiligtum auf der nackten Haut zwischen den Brüsten trug und die sie wegschob, wenn der kleine Piotr trank.
    Dann hörten diese kleinen Briefe ganz auf. Vier Monate lang fragte Vera Petrowna bei den Dienststellen nach, ließ die Feldpostnummer suchen. Als sie erfuhr, daß die Einheit nicht mehr bestände, wußte sie, daß sie Rudolf nicht mehr wiedersehen würde.
    Mitte Januar 1945 brach der Russe bei Warschau und Nasielsk durch … die Divisionen Marschall Rokossowskis strömten in die Weichsel- und Wartheniederungen, sie überschwemmten das Land wie eine alles zerstörende Sintflut. Was sie hinterließen, waren Grauen, Brand, Mord und Schändung. In einem Siegestaumel ohne Beispiel verloren sie alle menschlichen Maßstäbe.
    In Neuenaue, Kraftfeld und den anderen Dörfern wußte man dies nicht. Die noch in den Dörfern lebenden alten Bauern und die Bäuerinnen hatten seit ihrer Geburt unter Russen gelebt, und sie hatten in den wenigen Jahren erkennen gelernt, daß nicht alles, was sich deutsch nennt, auch gut sein mußte.
    Sie taten etwas, was seit Jahrhunderten in ihnen verwurzelt war: Sie begrüßten die Sieger als ihre Freunde. Sie bekränzten die Häuser, sie spannten Girlanden über die Dorfstraße, sie kamen den ersten sowjetischen Panzern mit Brot und Salz entgegen, so wie vor Jahrhunderten der Dorfpope dem Zarenbesuch entgegenkam und ihn segnete.
    Die Sowjets lachten von ihren Panzern herab. Dann hoben sie die Maschinengewehre und schossen die alten Bauern und die Bäuerinnen einfach nieder, in dem Augenblick, als sie den Brotteller zu der Panzerluke emporreichten.
    Die es sahen, begriffen es nicht. Auch die elfjährige Erna-Svetlana sah mit entsetzensweiten Augen auf das Bild, wie die beiden Bauern und die drei Bäuerinnen mit ihren großen Kopftüchern unter einem wilden Geknatter zusammenbrachen, sich durch den Schnee wälzten, daß er ganz rot wurde. Unter dem Gröhlen der Russen fuhren dann die Panzer über die fünf Körper hinweg, drückten sie auf den gefrorenen Boden, zermalmten sie mit den Panzerketten, zerquetschten sie zu einer unförmigen Masse.
    Vera Petrowna kam aus dem Haus gerannt, den kleinen Piotr auf dem Arm. Sie schrie etwas, sie sprach ihre Muttersprache, das gutturale Russisch des Asowschen Meeres, sie hielt den kleinen Piotr empor, den schreienden Sowjetsoldaten entgegen.
    »Millostij!« schrie sie. »Millostij!« (Gnade! Gnade!)
    An die Wand der Scheune gedrückt, versteckt hinter einer Mähmaschine, sah Erna-Svetlana, wie sechs Russen ihre Mutter ergriffen und mit sich rissen. Vor der Haustür ergriffen sie ihre Kleider, zerrten an ihr, zerfetzten Kleid und Unterwäsche und rissen ihr alles vom Leib, bis sie nackt, den kleinen, weinenden Piotr auf dem Arm an sich pressend, im Schnee stand.
    »Dawai!« gröhlten die Sowjets. Sie waren betrunken, sie griffen Vera Petrowna, schleppten sie mit zur Scheune und warfen sie auf den Boden in das Heu. Den kleinen Piotr schleuderten sie in den Schnee, wo er liegen blieb, betäubt, stumm, vielleicht schon tot.
    Erna-Svetlana rührte sich nicht. Sie starrte auf die Mutter, die nackt, auf dem Boden lag. Was dann geschah, begriff sie nicht mit ihren elf Jahren. Sie schlug die Hände vor die Augen, hörte die Mutter schreien und jammern; sie preßte die Lider zusammen und legte die Hände an die Ohren, um dieses gräßliche, schon tierische Brüllen nicht mehr zu hören.
    Nach einer Stunde wagte sie sich aus dem Versteck hervor.
    Neuenaue brannte. Die Panzerspitzen waren weitergezogen. Die Artillerie, die durch das Dorf jagte, kannte keinen Aufenthalt. Wie ein Spuk rauschten sie durch den beginnenden Abend.
    Am Eingang der Scheune lag Vera Petrowna. Ihr nackter Körper mit den hohen Brüsten war blutbeschmiert. Sie hatte kein Gesicht … schwere Stiefel hatten ihr den Schädel eingetreten.
    Einen langen Blick warf Erna-Svetlana auf ihre

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