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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
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wie nie was konsumiere. Er wartet nicht ab, bis ich mich entscheide, sondern nimmt mich wie selbstverständlich am Ellbogen und steuert auf das Café Halle zu.
    Eine knappe Stunde später weiß ich, dass er Marcus mit »c« heißt, Marcus Mepié. Sein Vater kommt aus Côte d’Ivoire und ist Experte für Internationales Wirtschaftsrecht bei den Vereinten Nationen. An der Uni hält er zu dem Thema Seminare. Eigentlich wollte er damals nur für ein Jahr eine Assistentenstelle, doch dann hat er Marcus’ Mutter kennengelernt und ist geblieben. Originellerweise ist auch seine Mutter nicht von hier, sondern halb Senegalesin, halb Französin und in Wien gelandet, weil ihr Vater Diplomat ist – mittlerweile im Ruhestand. Sie unterrichtet Französisch an der Vienna International School, die Marcus auch besucht hat. Und seinen Namen hat sie ausgesucht, weil man den in seinen beiden afrikanischen Herkunftsländern ebenso kennt wie in Frankreich – da macht man dann einfach »Marc« daraus – und hier in Österreich, wo Marcus ja geboren und aufgewachsen ist.
    Wahnsinn, was für ein Background. Mehrsprachig, multikulturell, superintellektuell und offenbar auch noch ziemlich wohlhabend, nach allem, was ich so rausgehört habe. Marcus selbst ist zwanzig und studiert Jus, also Rechtswissenschaften. »Das war eigentlich immer klar«, sagt er mit einem Stirnrunzeln und einem kleinen Schulterzucken, das eine Spur von Bedauern andeutet – obwohl ihn Kunstgeschichte auch sehr interessiert hätte. Und Fotografie. Und Film. Er könnte sich vorstellen, Kameramann zu sein oder Fotograf. Oder um die Welt zu reisen und im Auftrag von Museen Kunstwerke zu kaufen.
    Sein Vater dagegen sieht ihn als Diplomaten, für die Menschenrechte arbeitend, sich für Afrika einsetzend.
    Wahnsinn. Ich stelle ihm immer noch mehr Fragen nach seiner Herkunft, vor allem, weil ich es verdammt spannend finde, aber auch, um nicht über mich reden zu müssen. Seltsamerweise will er das nicht zulassen und fragt hartnäckig nach meiner Lebensgeschichte. Na ja, die ist in sieben Sekunden erzählt. Mein Vater ist Kunsttischler und Restaurator und hat eine eigene kleine Firma. Meine Mutter ist Krankenpflegerin und arbeitet halbtags in einem Seniorenheim. Und ich stehe kurz vor der Matura und will mich im Herbst an der Kunstakademie bewerben.
    Komischerweise ist er davon genauso beeindruckt wie ich von seiner Biografie.
    »Kunst«, sagt er. »Das ist echt mutig. Wollen deine Eltern gar nicht, dass du irgendwas, na ja, was Handfestes studierst?«
    »Wollten sie schon. Aber ich hab ihnen so lange unauffällig Zeitungsartikel über arbeitslose Akademiker untergeschoben, dass sie sich schließlich gedacht haben, es ist vollkommen egal, was ich studiere, weil sie mich in jedem Fall durchfüttern müssen bis an ihr Lebensende.«
    Er lacht und wieder spür ich so was wie Stolz. Ich mag sein Lachen, es kommt von tief unten und breitet sich in einer großen Welle über seinen ganzen Körper aus. Ich kann nicht anders als seine Kopfform bewundern unter den ganz kurz geschnittenen krausen Haaren, seine Nase mit dem schmalen Rücken, die zum Gesicht hin und bei den Nasenflügeln ziemlich breit wird. Ich würde ihn wahnsinnig gern zeichnen.
    »Hast du die Seventies-Ausstellung gesehen?«, frage ich ihn.
    »Klar«, lacht er. »Ich bin stundenlang auf der Treppe gestanden, du weißt schon, wo die vielen Poster hingen, und hab versucht, die psychedelischen Schriften zu entziffern.«
    Jetzt wird er mir wirklich langsam unheimlich. Ich hab nämlich genau dasselbe gemacht. Plattencover, Poster, Konzertankündigungen. Und auf allen diese Fantasieschriften. Dicke, aufgeblasene Schlangenbuchstaben, die ineinanderfließen, und verzerrte Hintergrundteppiche mit winzigen, tausendmal vervielfachten Symbolen. Ich kriege Kopfweh, wenn ich nur dran denke.
    Ich erzähl ihm das und er lacht wieder und meint, es ist eigentlich erstaunlich, dass wir uns nicht schon früher über den Weg gelaufen sind.
    Für mich ist an diesem Nachmittag einiges noch viel erstaunlicher. Dass wir bis in den Abend hinein sitzen und reden und ich schließlich diejenige bin, die zum Aufbruch drängen muss. Dass Marcus mich fragt, ob ich Lust habe, in der nächsten Woche mit ihm ins Kunsthaus in die neue Fotoausstellung zu gehen. Oder in die Chagall-Ausstellung im Kunstforum. Oder am besten in beide. Dass das auch nicht nur Gerede ist, sondern er mir ernsthaft seine Nummer gibt und mich um meine bittet. Dass er mir zum

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