Der Himmel über New York (German Edition)
Abschied noch mal sagt, dass mein Vater ein sehr kluger Mann ist. Ich bin einen Moment verwirrt.
»Deine Augen«, erinnert er mich. »Sie sind echt schön.«
Warum, frage ich mich, als ich später in meinem Zimmer im Bett liege, die Arme im Nacken verschränkt, und an die Decke starre, auf die die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos ihre Lichtstreifen werfen.
Ist heute vielleicht in Côte d’Ivoire der »Tag des dicken Mädchens«? Ist er bei den Pfadfindern oder will er mich für eine Sekte ködern? Was auch immer seine Gründe waren: Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so gut gefühlt habe.
Mama hat mich gleich besorgt gefragt, ob ich krank bin, weil ich mir nur eine kleine Portion von der Lasagne genommen hab. Krank! Ihr armes Einhundertneunzehn-Kilo-Baby isst nicht, also muss es krank sein.
Ich lass einen Riesenseufzer raus. In diesem Haushalt abzunehmen, ist echt nicht leicht. Aber Mama kann schließlich auch nicht aus ihrer Haut. Sie ist gebürtige Serbin und die serbische Küche ist nun mal keine leichte. Was Oma ihr beigebracht hat, ist, einen Mann nach der Arbeit ordentlich satt zu kriegen. Lasagne ist bei uns schon so was wie ein Diätessen. Wenn’s was »Richtiges« gibt, gibt’s Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat oder Rindsbraten mit Nudeln und Saft. Gemüse mögen wir alle drei nicht besonders. Außer Pommes. Find ich immer wieder sehr ungerecht, dass die nicht richtig zum Gemüse zählen.
Aber egal, über die gnadenlos gemein verteilten Kalorien dieser Welt kann ich noch oft genug nachdenken. Heute denke ich lieber an Marcus und diesen denkwürdigen Nachmittag im MQ.
Ich habe ihm noch gar nicht von Barcelona erzählt. Plötzlich bin ich echt stolz auf mich, dass ich mich durchgerungen habe, mich zu bewerben. Natürlich werde ich es nicht bekommen, die Konkurrenz ist viel zu groß. Aber wenn es dazu beiträgt, mich für Marcus ein kleines bisschen interessanter zu machen, dann war es doch für was gut. Ein Glück, dass Letti mich gepusht hat.
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