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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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mir zu antworten, überlegte es sich dann aber anders. Sie lächelte kaum merklich, wobei sich ihre Lippen an den Mundwinkeln hoben. In meinem Traum fragte ich mich, wer von den beiden abdrücken würde, wenn sie mich erschossen. Ich hoffte, sie würde es tun.
    Wir gingen weit in die Wüste. Die Autos verschwanden hinter dem Horizont. Schließlich wandte ich mich an den Mann: »Sind Sie uns den ganzen Weg von Charleston hierher gefolgt?« Ich atmete tief durch. Die Luft war kühl und trocken. Sie roch nach Erde und Steinen. Ich warf Catherine abermals einen Blick zu. Sie sah mich nicht an, sondern blickte in die Ferne, in die scheinbar endlose Dunkelheit.
    »Wir sind euch den ganzen Weg von Montreal hierher gefolgt«, sagte der Mann. Ich wollte nicht an die Leichen denken, die ich hinterlassen hatte. Nicht mehr. Ich war fertig.
    »Wie regeln wir das?«, fragte ich und drehte mich zu dem Mann ohne Gesicht. Alles, was ich sah, waren seine sich ständig verändernde Visage und seine weiß hervortretenden Knöchel an der Hand, mit der er seine Pistole hielt. Er hob die Pistole an, und sein Finger krümmte sich um den Abzug. Ich blickte in den Himmel hinauf, da ich nicht wollte, dass die Kugel das Letzte war, was ich sah. Einige Sterne waren verschwunden. Dann durchschnitt ein Schuss die Stille. Ich spürte nichts. Es war alles genauso wie Charleston. Die Sonne hatte zu scheinen begonnen.
    Die Sonne ging über der flachen Wüste auf wie ein Feuerball, der in den Himmel gehoben wurde. Es gab keine Berge, die den Sonnenaufgang verlangsamten, nichts, was Schatten warf. Der Tag überrollte die Landschaft wie eine Flutwelle. Ich drehte mich um und sah dich an, als du im violetten Licht der Morgendämmerung dastandest. Ich drehte mich um, weil ich sehen wollte, wessen Pistole abgefeuert worden war, weil ich mich vergewissern wollte, ob mit dir alles in Ordnung war. Es ging dir gut. Dein Bauch warf den größten Schatten in der ganzen Wüste. Sein Schatten sah aus wie der eines Berges, der auf der Seite lag. Es herrschte Stille. Plötzlich spürte ich ein Brennen an meiner linken Hand. Ich blickte hinunter. Von meiner Hand tropfte Blut auf den Boden, der so ausgetrocknet war, dass das Blut eine Pfütze auf ihm bildete, anstatt zu versickern. Ich betrachtete meine Hand. Mein Ringfinger fehlte. Ich sah zu dem Mann mit der Pistole. Sein Gesicht hatte sich ein weiteres Mal verändert. Aus der Mündung seiner Pistole stieg Rauch auf. Er hatte mir den Finger abgeschossen. Die Schmerzen kamen langsam.
    »Und jetzt?«, fragte der Mann mit der rauchenden Pistole. Ich fragte mich, ob er womöglich vorhatte, mich Stück für Stück zu demontieren.
    »Mehr wollen wir nicht von dir«, erwiderte er und steckte sich seine Pistole in den Hosenbund. »Gehen wir«, sagte er zu Catherine. Sie warf zuerst mir einen Blick zu, dann dir, dann drehte sie sich um, und die beiden gingen davon. Sie verschwanden hinter dem Horizont.
    Ich sah dich an, wie du im Sonnenlicht standest. »Er bewegt sich wieder, Joe«, sagtest du.
    »Ich ballte meine Hand zur Faust. Die Blutung hatte bereits nachgelassen. »Tut es weh?«, fragtest du mich.
    »Es geht schon«, erwiderte ich. »Komisch. Ich spüre den Schmerz in meinem Finger, in meinem ganzen Finger, obwohl der Finger nicht mehr da ist.«
    »Phantomschmerzen«, sagtest du. »Ich habe früher mal im Krankenhaus gejobbt und hatte dort mit Amputierten zu tun. Sie sagten mir, sie könnten noch immer ihre Zehen spüren, obwohl sie kein Bein mehr hatten.«
    »Und wann hat das aufgehört?«, fragte ich.
    »Nie«, erwidertest du und schütteltest den Kopf. »Es ist nicht so einfach, einen Teil von sich gehen zu lassen.« Ich betrachtete meine Hand. Die Blutung hatte inzwischen ganz aufgehört. Es war nur noch eine Lücke zu sehen.
    »Wird alles gut werden, Maria?«, fragte ich dich. Im wirklichen Leben konnte ich dich das nicht fragen. Im wirklichen Leben musste ich so tun, als wüsste ich es. Fragen konnte ich dich nur im Traum.
    »Ja, Joe. Es wird alles gut«, sagtest du.
    »Warum klingt es wie eine Lüge, wenn ich es sage, und wie die Wahrheit, wenn du es sagst?«, fragte ich.
    »Weil für dich nie alles gut war. Deshalb weißt du nicht, wie es sich anfühlt.«
    Ich wachte auf, als die Sonne hinter uns aufging. Ich hatte noch nie viel in meine Träume hineininterpretiert. Ich war einfach froh, ausnahmsweise einmal einen schönen Traum gehabt zu haben. Das hatte ich schon so lange nicht mehr gehabt.
    Ich ließ den

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