Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
Vom Netzwerk:
hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. Ich drehte mich um und sah Jared hinter der Windfangtür stehen. »Ich dachte mir, dass du vielleicht hier draußen bist«, sagte Jared.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wozu braucht man ein Haus am Strand, wenn man nicht aufsteht, um sich den Sonnenaufgang anzusehen?«
    »Soll ich dir Gesellschaft leisten?«, fragte Jared.
    »Wie in alten Zeiten«, erwiderte ich und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er nach draußen kommen solle.
    »Was hat es eigentlich mit dir und Sonnenaufgängen auf sich, Ponyboy?«, fragte Jared, als er sich auf dem Stuhl neben mir niederließ. Ich lachte. Ich konnte mich nicht erinnern, wie viele Sonnenaufgänge Jared mit mir beobachtet hatte. Er schien es immer widerwillig zu tun, aber er tat es trotzdem.
    »Die haben eben so was an sich«, entgegnete ich. Wenn mir eine bessere Antwort eingefallen wäre, hätte ich sie benutzt.
    »Eines Tages werden wir Michael schon noch dazu bringen, uns dabei Gesellschaft zu leisten«, sagte Jared.
    »Ja, klar. Das würde ich mir dann ewig anhören müssen.« Wir lachten beide. Ich glaube nicht, dass Michael jemals so früh aufgestanden ist, zumindest nicht dann, wenn er keinen Job zu erledigen hatte. Jared und ich saßen ein paar Minuten schweigend da und betrachteten das Meer, als rechneten wir damit, von irgendetwas überrascht zu werden. Tatsache ist jedoch, dass Sonnenaufgänge keine Überraschungen bieten, ganz egal, was sich sonst im eigenen Leben abspielt. Der Himmel wurde heller und verfärbte sich von dunkelviolett in ein tiefes Rot. Ich hörte, wie die Möwen über unseren Köpfen zu kreischen begannen. Wo sie sich nachts aufhielten, hatte ich mich nie gefragt. Ich war daran gewöhnt, dass Dinge einfach verschwinden und wieder auftauchen.
    Schließlich brach Jared das Schweigen. »Und, wie geht’s dir so? Ist schon eine ganze Weile her, nicht wahr?«
    Das stimmte. »Ja, es ist schwierig, Zeit zu finden«, antwortete ich.
    »Das kann man wohl sagen.« Jared schüttelte den Kopf. »Aber jetzt mal im Ernst, alles in Ordnung mit dir? Du stehst irgendwie neben dir.« In Jareds Stimme war aufrichtige Besorgnis zu hören.
    »Ich bin einfach nur müde«, log ich. Ich wusste nicht, weshalb ich log. Es gab nur so wenige Menschen, denen ich überhaupt etwas anvertrauen konnte. Lügen war einfach. »Ich hatte eine kleine Pause nötig, das ist alles.«
    »Du wirst frühzeitig alt«, spottete Jared.
    »Vielleicht.« Ich blickte zu Jared hinüber, um zu sehen, ob sich auf seinem Gesicht die gleiche Müdigkeit abzeichnete wie auf meinem. So war es, aber er ging anders damit um. Jared war eine Maschine. »Macht dir das ständige Töten und Davonlaufen, Davonlaufen und Töten denn gar nicht zu schaffen? Macht dich das nicht müde?«
    »Manchmal schon«, sagte Jared. Er log mich ebenfalls an. Es machte ihn nicht müde. Er gab sich Mühe, mich aufzubauen, und es gelang ihm. Er legte einen Fuß auf das Geländer und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Manchmal kommt einem alles unwirklich vor, findest du nicht?« Jared verschränkte die Arme gegen die kühle Luft. »Konntest du dir mit vierzehn vorstellen, dass wir eines Tages hier sein würden?«
    »An der Küste von New Jersey? Wir waren doch mit vierzehn schon hier«, scherzte ich.
    Jared ging nicht auf meinen Scherz ein, sondern fuhr fort: »Nein, ich meine, hier, an diesem Punkt in unserem Leben. Dass wir tun würden, was wir tun.«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. Was meine Antwort betraf, war ich mir sicher. »Um ehrlich zu sein, hätte ich mir mit vierzehn niemals vorstellen können, dass wir später einmal tun würden, was wir tun. Und selbst wenn ich es mir hätte vorstellen können, wäre ich wahrscheinlich nicht gerade begeistert gewesen.« Ich ließ den Blick über den Strand schweifen. Die frühmorgendlichen Strandgutsammler gingen am Wasser entlang. Ein paar Leute mit langen Angeln warfen ihre Leinen in die Fluten aus.
    »Da machst du dir was vor, Joe. Das weiß ich, und du weißt es ebenfalls. Du wärst total begeistert gewesen. Ich weiß, dass ich begeistert gewesen wäre. Als wir vierzehn waren und in deiner Einfahrt Basketball spielten, war ich mir sicher, dass wir wie all die anderen Loser auf der Highschool in irgendwelchen sinnlosen, ausweglosen Jobs enden würden. Das heißt, wenn es überhaupt so weit kommen würde, nachdem unsere Verwandten der Reihe nach starben und uns niemand sagen wollte, warum. Vergiss nicht, warum wir

Weitere Kostenlose Bücher