Der Hinterhalt
wäre, den Zweifel in mir zu finden, hätte er ihn herausgezerrt und erdrosselt.
»Ich weiß nicht«, entgegnete ich. »Glaubst du wirklich, dass sie böse sind?«
Jared richtete den Blick auf die Wellen, die sich am Strand brachen. »Tja, es kann nur sie oder uns geben.«
Ich hatte es satt, das zu hören, Maria. Ich hatte es satt zu hören, dass es nur sie oder uns geben könne. Ich hatte es satt zu hören, dass es entweder töten oder getötet werden hieß. Das ergab für mich schon damals, bevor ich dich kennenlernte, keinen Sinn mehr. Das war es aber nicht, was Jared sagen wollte. Jared wollte sagen, dass ich glauben musste. »Das ist es also? Das ist dein Beweggrund? Sie oder wir? Wer als Erster tötet, überlebt am längsten? Ich kann darin keinen Sinn erkennen.«
»Das ist es nicht, was ich gesagt habe, Joe«, erwiderte Jared. Er kniff die Augen zusammen. »Dreh mir nicht das Wort im Mund um. Du hast mich gefragt, ob ich immer noch glaube, dass die anderen böse sind. Ja. Ja, das glaube ich. Daran habe ich keinen Zweifel, und ich habe keinen Zweifel daran, weil es zu viel Tod gibt, als dass sich alle einer Verurteilung entziehen könnten. Also heißt es, entweder sie oder wir, Joe. Ich sage nicht, dass es heißt, töten oder getötet werden. Ich sage nur, dass entweder die anderen böse sind oder wir, weil nicht jeder unschuldig sein kann. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich nicht böse bin, Joe. Und ich weiß, dass du auch nicht böse bist.« Er deutete mit seiner Bierflasche auf mich. »Ich kenne dich. Ich kannte dich schon, als du noch nichts von diesem Krieg wusstest. Ich bin mir sicher, dass die anderen böse sind, weil ich weiß, dass du es nicht bist.« Ich musste ihm glauben, Maria. Ich hatte keine andere Wahl. Er musste recht haben. Wenn er falschlag, war ich verloren. »Es wird erst dann Frieden herrschen, wenn wir gewonnen haben.«
»Oder die anderen«, fügte ich hinzu.
»Oder die anderen«, wiederholte Jared und nickte. Dann saßen wir lange Zeit schweigend da. Wir saßen da und beobachteten, wie der rote Himmel rosafarben wurde. Wir saßen da und beobachteten, wie das Licht der Sonne von den tief hängenden Wolken reflektiert wurde, bevor wir den ersten Sonnenstrahl zu Gesicht bekamen. Wir saßen da und beobachteten, wie der Strand sich langsam mit Menschen füllte, die nur gekommen waren, um zuzusehen, wie die Sonne aufging wie an jedem anderen Tag. Dann beobachteten wir, wie die Sonne zunächst über den Horizont lugte und anschließend in den Himmel emporstieg. Ich war jedes Mal beeindruckt, wie schnell sich die Sonne zu bewegen schien, wenn sie den Horizont erklomm. Jared und ich saßen nebeneinander und beobachteten, wie die Welt sich veränderte. Ich blickte zu ihm hinüber und wusste, dass er nur vorgab, das meinetwegen zu tun. Es gefiel ihm genauso gut wie mir, bei der Geburt eines neuen Tages zuzusehen. Als es vorbei war, als der Morgen offiziell angebrochen war, stand Jared auf. »Ich lege mich wieder ins Bett und schlage vor, dass du dasselbe tust«, sagte er. »Sonst treibt uns Michael heute Abend in den Wahnsinn.«
»Ja«, erwiderte ich. »Ich komme gleich nach.« Ich brauchte noch ein bisschen Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. »Das war gut, Jared«, sagte ich zu ihm, als er die Windfangtür aufmachte. »Das habe ich gebraucht. Danke.«
»Gern geschehen, Joe«, sagte Jared. Seine Stimme klang kräftig. »Manchmal muss man einfach erinnert werden, weißt du? Wir tun etwas Gutes, Joe. Das weiß ich. Und du weißt es auch. Ich bin sicher, du weißt es. Du darfst nicht daran zweifeln. Wenn man tut, was wir tun, können Zweifel tödlich sein.« Jared klang ernst. Er hatte noch nie ernster geklungen.
»Ich weiß«, entgegnete ich. Jared hatte recht. Das Problem war nur, dass es nicht ganz so einfach war, die Zweifel zu begraben, wie es aus seinem Mund klang.
Wie am Vortag vereinbart, ließen Jared und ich Michael unseren zweiten Abend planen. Er verbrachte den halben Tag damit, darüber zu reden, während ich mich damit zufriedengab, die Stunden auf der Veranda zu vertrödeln und den Tag verstreichen zu lassen. Mittags ging ich zum Strand und sprang ins Meer, um mich abzukühlen. Es fühlte sich gut an, im Meer zu sein. Es fühlte sich gut an, daran erinnert zu werden, wie klein man war.
Später machten wir uns dann zum Abendessen auf den Weg ans südliche Ende von Beach Haven. Wir hatten nicht reserviert, doch Michael ging davon aus, dass er uns einen Tisch in einem der
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