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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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Noch machten mich ihre Fragen nicht nervös.
    »Tatsächlich? Du bist aus New Jersey?«
    »Na ja, nicht direkt aus New Jersey. Ich lebe in einem Vorort von Philadelphia«, log ich. Lügen war einfacher, als die Wahrheit zu sagen.
    »Dann verbringst du also viel Zeit hier?«, fragte Catherine, beugte sich zu mir und drückte die Arme seitlich gegen ihre Brüste, sodass diese beinahe aus ihrem Ausschnitt quollen. Ich spürte im Nu meinen Puls im Kopf. »Ich bin ziemlich neu in der Gegend«, fügte sie hinzu. »Ich bin gerade erst von New York hierhergezogen. Kommst du öfter mal dorthin?«
    »Ab und zu«, entgegnete ich. »Ich muss manchmal beruflich hin.« Mir war bewusst, dass das gefährlich nahe an der Wahrheit lag.
    »Tatsächlich? Was machst du denn?«, fragte Catherine und setzte weiterhin geschickt ihr Dekolleté ein, um mich zu hypnotisieren.
    »Mich abrackern«, erwiderte ich und beschloss, von mir abzulenken. »Was ist mit dir?«
    Catherine lachte. »Nein, ehrlich. Was machst du? Wenn ich dich abschleppen soll, muss ich wissen, ob du beruflich etabliert bist.« Sie lächelte mich an. Ich wünschte mir, sie würde niemals aufhören, mich anzulächeln.
    »Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, entgegnete ich. Ich beugte mich zu ihr vor. Ich war betrunken und erregt und völlig von der Rolle.
    »Lass das mal lieber mich beurteilen«, wies sie mich zurecht. Ich nahm an, dass ich mir einen gut bezahlten Job ausdenken musste, wenn ich sie ins Bett bekommen wollte.
    »Also gut. Ich bin Finanzberater«, log ich. Während unserer Ausbildung war uns beigebracht worden, anderen zu erzählen, dass wir Berufe hatten, die kaum Nachfragen hervorriefen. Man hatte uns empfohlen zu sagen, wir seien Produktmanager für einen Kleiderbügelhersteller oder Vertreter für Kunststoff-Türstopper. Mit anderen Worten, man hatte uns nahegelegt, Jobs zu wählen, die jede Unterhaltung im Keim erstickten. Selbstverständlich war uns nicht beigebracht worden, wie man das tut und gleichzeitig flachgelegt wird. Das war wirklich eine Lücke im Lehrplan.
    Ihr Lächeln wurde breiter. »Gibt es in Philadelphia großen Bedarf an Vermögensberatung?«
    »Kleiner Teich, dicke Fische«, erwiderte ich.
    »Solltest du nicht besser in New York arbeiten? Dort werden doch alle Geldgeschäfte gemacht, oder?«, entgegnete Catherine. Es machte mich langsam unruhig, dass sie immer wieder New York erwähnte. »Ich meine, du könntest im Zentrum arbeiten und in Brooklyn wohnen. Ich liebe Brooklyn.« Sie hielt das Wort Brooklyn einen Augenblick im Mund, bevor sie es aussprach. »Warst du schon mal in Brooklyn?« Jetzt begannen in meinem Kopf die Alarmglocken zu läuten. Ich ging in Gedanken die letzten Momente durch, die ich in Brooklyn verbracht hatte. Es war erst eine Woche her. Ich sah das Gesicht der Frau, die ich erwürgt hatte. Ich hörte die Stimmen ihrer Kinder. Alles, was ich an der Küste von Jersey hatte vergessen wollen, holte mich wieder ein. Catherine saß einfach nur da, sah mich an und beobachtete, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie. Ihre Stimme klang kalt. Aus ihr war keine Anteilnahme herauszuhören. Mir wurde schwindlig. Ich musste das Thema wechseln. Ich nahm einen großen Schluck Bier aus der Flasche, die vor mir stand, und atmete ein paar Mal durch, um die Fassung zurückzugewinnen. Mein Puls raste. Wenn ich nicht betrunken und so erregt gewesen wäre und wenn ich nicht den Tag am Strand verbracht und versucht hätte, mein ganzes Leben zu vergessen, wäre es mir vielleicht gelungen, einen kühlen Kopf zu bewahren. War ich schon mal in Brooklyn?
    »Nein«, antwortete ich und versuchte, genug Zeit zu gewinnen, um mich wieder zu sammeln. »Vielleicht ein oder zwei Mal.« Ich hörte mich unnatürlich schnell sprechen. »Ich kann mich nicht mehr genau erinnern.« Ich sah Catherine an, versuchte, ihre Reaktion zu lesen. Ich hielt nach Verwirrung Ausschau. Jeden normalen Menschen hätte mein Verhalten verwirrt. Sie dagegen saß einfach auf ihrem Hocker und hatte nach wie vor ein schmales Lächeln auf den Lippen. Ich wollte, dass sie aufhörte zu lächeln. Reiß dich zusammen, sagte ich mir. Ich versuchte, mich dazu zu zwingen zu vergessen, dass mir beigebracht worden war, Paranoia sei unser bester Freund. Meine besten Freunde spielten am anderen Ende des Raums Ringewerfen. Ich wollte nur diese Frau ansehen und alles andere vergessen. Ich ließ den Blick abermals über Catherines

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