Der Hinterhalt
überhaupt Freunde geworden sind, Joe.«
»Ich erinnere mich schon«, sagte ich. Aberglaube war es, was uns zusammengeführt hatte – nicht unserer, sondern der anderer Kinder, die überzeugt davon waren, dass wir Unglück brächten. Sie wollten nicht einmal mit uns sprechen, da sie glaubten, wir seien mit einer Art tödlichem Fluch belegt.
»Meine Mutter, mein Bruder, mein Onkel, dein Onkel, deine Großeltern, dein Vater, deine Schwester. Ich war mir ziemlich sicher, dass alle, die mir am Herzen lagen, tot sein würden, wenn ich zwanzig war.« Jared stand auf. »Möchtest du ein Bier? Ich hole mir ein Bier.« Es spielte keine Rolle, dass es ungefähr fünf Uhr morgens war. Ein Bier klang gut. Ich nickte. Jared ging in die Küche und kam mit zwei Flaschen in der Hand zurück. Er öffnete eine davon und reichte sie mir. Dann öffnete er die andere und nahm einen kräftigen Schluck. Ich wollte den Rest dessen hören, was er zu sagen hatte. Ich wollte überzeugt werden. »Aber sieh uns jetzt mal an. Unser Leben hat eine Bedeutung, Joe. Weißt du, was die meisten Menschen auf dieser Welt dafür geben würden, ein bisschen Bedeutung in ihrem Leben zu haben?« Er trank erneut einen großen Schluck Bier.
»Du weißt ja, dass ich hin und wieder unterrichte«, sagte ich. Jared nickte. Ich hatte ihm bereits davon erzählt. Nicht jeder Soldat unterrichtete; nur ein paar von uns wurden dafür ausgesucht. Weder Jared noch Michael hatten jemals unterrichtet. »Wenn die Jugendlichen fragen, warum wir kämpfen, geben wir eine ausweichende Antwort. Wir sagen ihnen das, von dem wir wissen, dass es funktioniert. Und sie geben sich damit zufrieden.«
»Das liegt daran, dass sie keinen Grund brauchen, Joe. Was in ihnen brennt, genügt ihnen als Grund. Wenn man Leidenschaft besitzt, braucht man keinen Grund. Erst wenn man älter wird, so wie wir, fängt man an, Fragen zu stellen. Je älter man wird, desto mehr verliert man von seiner Leidenschaft und desto mehr sucht man nach einem Grund für alles.« Jared nahm einen Zug von seinem Bier. »Hast du jemals einen von den alten Typen, bei denen du während eines Jobs gewohnt hast, gefragt, worum es bei diesem Krieg geht?« Ich schüttelte den Kopf. Ich war nie auf die Idee gekommen zu fragen. Allerdings hatte ich jede Menge Geschichten gehört. Das hatte jeder. Jared lachte. »Die hören gar nicht mehr auf, Mann.« Er schüttelte den Kopf. »Die kauen dir regelrecht das Ohr ab mit ihren Geschichten.«
»Glaubst du sie? Die Geschichten, die sie erzählen?«
Jared überlegte kurz. »Ja«, sagte er. »Ich nehme an, man wird nicht so alt, ohne etwas zu wissen.«
»Dann sind wir also die Retter der Welt?«, sagte ich halb fragend. »Wir sind die Einzigen, die sie aufhalten können?«
»Ich habe nicht den Eindruck, dass es irgendjemand anders versucht. Sieh mal, Joe, ich behaupte nicht, dass ich alle Details kenne, aber ich weiß, dass das Morden und der Tod notwendig sind. Und du weißt es auch.« Wusste ich es? »Wenn wir gewonnen haben, wird die Welt ein besserer Ort sein. Dafür tragen wir die Verantwortung.« Jared glaubte jedes Wort, das er sagte. Ich glaubte gerade genug.
»Ich weiß nicht«, entgegnete ich, »vielleicht geht mir einfach der Hass aus.« Ich trank einen Schluck Bier.
»Mit Hass hat das nichts zu tun. Du tickst nicht mehr ganz richtig.« Er tippte mir mit dem Flaschenhals gegen die Stirn. »So ist es nun mal. Ich habe Hass empfunden, als ich erfuhr, dass einer dieser Scheißkerle meinen kleinen Bruder drei Monate nach seinem achtzehnten Geburtstag umgebracht hat. Das war Hass. Du hast Hass empfunden, als du herausgefunden hast, dass dein Vater nicht bei einem Autounfall starb. Ich erinnere mich. Ich war da. Mir ist der Hass schon längst ausgegangen. Hass hat keine Disziplin.« Wenn Jared eines besaß, dann war es Disziplin.
»Und was ist es jetzt?«, fragte ich. »Was treibt dich an?« Ich dachte, dass das, was Jared antrieb, vielleicht auch bei mir funktionieren würde.
Jared überlegte kurz, bevor er antwortete. »Ich weiß nicht. Wissen. Ziele. Zu wissen, dass ich einen Beweggrund habe. Eines Tages werden wir diesen Krieg gewinnen, und meine Enkel werden ohne Angst aufwachsen können, und das wird unser Verdienst sein.«
»Also töten wir die anderen, weil sie böse sind, wie es uns beigebracht wurde? Ist es das, worauf du hinauswillst?«
»Verdammt, Mann. Zweifelst du etwa daran?« Jared stellte mir die Frage und starrte mich an. Wenn er imstande gewesen
Weitere Kostenlose Bücher