Der Hinterhalt
entfernt, das als Abgrenzung zur Bucht diente. Wir konnten dasitzen und essen und gleichzeitig das Spiegelbild der Sterne betrachten, das sich im Wasser kräuselte. Mit etwas Glück würde der Wind in die richtige Richtung drehen und der Geruch von Michaels Aftershave vom salzigen Geruch der Bucht abgelöst werden. Als wir unsere Getränke bestellten, fing es gerade an, dunkel zu werden. Ich saß mit dem Rücken zur Wand. Michael saß zu meiner Linken mit dem Rücken zum Wasser und mit Blick zum Eingang des Restaurants. Jared saß rechts von mir, mit dem Rücken zur Tür, dem Wasser zugewandt. Ich konnte den größten Teil des Restaurants überblicken. Zwar musste ich mich verrenken, um den Eingang sehen zu können, doch ich hatte den gesamten Sitzbereich im Blickfeld und konnte ungefähr die Hälfte der Bar erkennen. Im Raum herrschte ausgelassene Stimmung. Draußen wurde es schnell dunkel. Das Restaurant war angefüllt mit den Geräuschen klirrender Gläser, dem Klappern von Besteck und sinnlosem Urlaubsgeplapper. Wir bestellten unser Essen – Fisch, Venusmuscheln, Krabbenscheren –, ignorierten die Preise und ließen es uns einfach gut gehen. Ich bin froh, dass wir das taten, da es sich um die letzte Mahlzeit handeln sollte, die wir drei jemals gemeinsam einnahmen. Und die Rechnung würden wir ohnehin nie bezahlen.
Nachdem wir unsere Getränke serviert bekommen hatten, hob Michael sein Glas und sagte: »Also, Jungs, worauf sollen wir trinken?«
»Auf den Weltfrieden«, schlug ich vor, und wir lachten alle. Das war ein alter Witz, älter als wir. Ich hatte ihn schon meine Eltern machen hören. Wir versuchten zu vermeiden, über den Krieg zu sprechen, doch unsere Unterhaltung kam stets darauf zurück. Das war immer so. Jeder von uns erzählte den anderen von Gerüchten, die er gehört hatte – von jüngsten Siegen, von jüngsten Niederlagen, von Leuten aus unserem Bekanntenkreis, die befördert worden waren, von Leuten aus unserem Bekanntenkreis, die getötet worden waren. Wir sprachen nicht darüber, weshalb wir kämpften. Über dieses Thema hatten wir schon zu oft gesprochen. Es kam nie etwas dabei heraus. Wir hatten alle die Theorien gehört, manche Theorien häufiger als andere. Einer Theorie zufolge hatten sich ursprünglich fünf Gruppen bekämpft. Wir gehörten einer von zweien an, die noch übrig waren. Eine andere Theorie besagte, wir seien einst Sklaven gewesen und unsere Feinde Sklavenhalter. Als wir rebellierten, gewannen wir die Freiheit, und sie ließen uns gehen. Das Problem war, dass sie kehrtmachten, nachdem wir gegangen waren, und andere Menschen versklavten. Deshalb kamen wir zurück, um sie ein für alle Mal niederzuschlagen, um ihre Herrschaft zu beenden, um die Welt dauerhaft zu befreien. Diese Version bekamen wir am häufigsten zu hören – wahrscheinlich deshalb, weil sie uns in einem besonders heldenhaften Licht erscheinen ließ. Wir glaubten alle daran, dass uns eines Tages die ganze Geschichte erzählt werden würde. Gerüchten zufolge wurde einem alles erzählt, sobald man in den Reihen weit genug aufgestiegen war. Manchmal war das der einzige Grund, warum ich überhaupt daran interessiert war, befördert zu werden.
Als das Essen kam, redeten wir trotzdem weiter. Die Unterhaltung verlagerte sich langsam vom Krieg auf das Schwelgen in Erinnerungen an die guten alten Zeiten, als wir jung und sorglos waren. Obwohl der Krieg mit siebzehn bereits über uns schwebte, hatten wir damals das Gefühl, wir würden für immer siebzehn bleiben. Das war die vermutlich beste Zeit in meinem Leben. Dann wurden wir einer nach dem anderen achtzehn.
Als wir mit dem Essen zur Hälfte fertig waren, kam sie herein. Michael hatte von dem Augenblick an, als wir Platz genommen hatten, beobachtet, wer das Restaurant betrat und verließ, da er hoffte, die Telefonnummern von zwei Mädchen zu ergattern, noch bevor wir uns an die Bar begaben. Sie fiel ihm sofort auf. »Hey, deine kleine Freundin ist hier«, sagte er zu mir.
»Wen meinst du?«, fragte ich. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe es mir dämmerte. Michael wollte gerade die Hand heben, um sie an unseren Tisch zu winken, als meine Reflexe einsetzten. Ich packte seine Hand, bevor er sie über Schulterhöhe heben konnte, und schlug sie auf den Tisch. Sie landete mit einem lauten Krachen auf dem Holz. Ein paar der Gäste an den umliegenden Tischen drehten sich um und starrten uns an.
»Verdammt noch mal, was war das denn?«, fragte Michael und drehte das
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