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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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sich Jim und deutete auf einen der beiden Sessel, die an der Wand standen.
    »Nein, danke«, erwiderte ich. »Ich bleibe erst mal stehen.«
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich mich setze?«, fragte Jim. »Meine alten Beine.«
    »Nur zu«, entgegnete ich. Jim ging zu den Sesseln hinüber und setzte sich. Er hätte sich kaum in eine schlechtere Position bringen können, es sei denn, er hatte eine Pistole zwischen den Kissen versteckt. »Sie sagten vorhin, Dan hätte es Ihrer Ansicht nach ziemlich schwer gehabt. Was ist mit Ihnen?«, fragte ich. Ich weiß nicht, weshalb ich mich mit Smalltalk aufhielt.
    Jim saß da und überlegte einen Moment, ehe er sprach. Als er antwortete, sah er mir mit dem gleichen vorausahnenden Blick in die Augen, mit dem er mich schon am Morgen zuvor bedacht hatte. »Ich glaube, mit mir war das Schicksal etwas gnädiger. Ich war nie verheiratet und habe keine Kinder, aber mein Leben war ziemlich ereignisreich. Ich bin noch immer aktiv.« Ich möchte wetten, das bist du, dachte ich. »Ich bin hin und wieder als militärischer Berater tätig. Trotzdem ist es für niemanden einfach, alt zu werden. Ich habe in drei Kriegen gekämpft, junger Mann, aber ich kann Ihnen sagen, alt zu werden ist das Härteste, was ich je erlebt habe.«
    Jim fixierte mich mit einem Blick, der mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. »Also, Joe, welchem Umstand habe ich Ihren Besuch zu verdanken?«
    »In drei Kriegen?«, fragte ich. »Dan hat mir gesagt, Sie wären zweifacher Kriegsveteran.«
    »Na ja, ich nehme an, Dan wusste bis vor kurzem nur von zwei Kriegen.« Jim ließ die Eiswürfel in seinem Glas kreisen, ehe er einen Schluck trank. »Aber es sind drei: Korea, Vietnam und dieser gottverdammte Krieg, in dem Sie und ich jetzt kämpfen. Drei Kriege, fünfzig Jahre, und ich habe noch immer keinen blassen Schimmer, warum wir sie geführt haben.« Er wusste Bescheid. Ich spürte, wie Schweiß aus meinen Poren zu sickern begann. Ich hielt mir mein Glas vors Gesicht, ließ das Wasser kreisen und versuchte zu erkennen, ob sich darin irgendetwas befand. Jim lachte mich aus. »Keine Sorge. Da ist nichts in Ihrem Wasser. Obwohl ich sagen muss, dass Sie ziemlich unvorsichtig sind.«
    Meine Angst, vergiftet zu werden, verwandelte sich schnell in Verlegenheit. »Wie lange wissen Sie schon Bescheid?«, fragte ich.
    »Ich weiß schon seit Jahren, dass Dan einer von euch ist. Aber ich weiß auch, dass er uns keinen Schaden zufügt. Er hat uns nichts mehr angetan, seit wir seine Tochter töten ließen. Anschließend wurde er in den Ruhestand geschickt, ob er es wollte oder nicht. Und ich mag ihn. Er ist ein guter Freund von mir.« Irgendetwas in seinen Worten ekelte mich an. Es handelte sich dabei um einen Reflex.
    »Hatten Sie was mit dem Tod seiner Tochter zu tun?«
    »Nein. Das war, lange bevor ich Dan kennenlernte. Seit ich ihn kenne, habe ich allerdings immer wieder Geschichten gehört. Anscheinend stellte sie eine Gefahr dar. Wir hatten wirklich keine andere Wahl.«
    »Sie hatten keine andere Wahl, als die Tochter Ihres Freundes zu töten?«
    Jims Tonfall war zum ersten Mal nicht mehr freundlich. »Ich habe es Ihnen doch gerade gesagt, Joe. Ich hatte nichts damit zu tun. Aber dieser Krieg ist schlimm, und im Krieg geschehen schlimme Dinge. Dagegen können weder Sie noch ich viel tun.«
    »Na ja, Sie könnten den Krieg doch beenden.«
    »Meine Güte, mein Junge. Glauben Sie etwa noch immer, ihr wärt die Guten und wir die Bösen? Genau das Gleiche wurde mir nämlich auch eingetrichtert, als ich jung war. Vor über einem halben Jahrhundert. Genau dasselbe wurde mir auch eingetrichtert, was die Chinesen und die Nordvietnamesen anbelangt. Die Guten und die Bösen. Polizisten und Verbrecher. Cowboys und Indianer. Das sind alles Kinderspiele, Joe.«
    Ich war nicht in der Stimmung für eine Standpauke. Jareds Worte hallten in meinem Kopf wider. Entweder sie oder wir. Entweder ist Jim böse, oder ich bin es. »Ist Ihnen klar, dass ich Sie töten werde?« Ich hoffte, dieser Satz würde die Standpauke beenden.
    »Ich habe sofort Verdacht geschöpft, als ich hörte, dass Dan Besuch bekommt. Ein Gast, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Ein Mann, dessen Hintergrund Dan nicht erklären konnte. Deshalb bin ich gestern nach draußen gegangen und habe Ihnen zugesehen, als Sie vorbeiliefen. Nachdem Sie das erste Mal an meinem Haus vorbeigekommen waren. Ich dachte mir, dass Sie womöglich der junge Mann sind, den sie geschickt

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