Der Historiker
Er sagte, sein Großvater habe ihm erklärt, der Drache sei nötig, um böse Geister von unserer Familie fern zu halten. Wir hatten nur ein- oder zweimal darüber gesprochen, weil mein Vater für gewöhnlich nicht gern davon redete, und ich wusste nicht einmal, wer von den Verwandten aus seiner Generation den Drachen trug, ob er auf seinem eigenen Körper war oder auf dem einer seiner Brüder oder Schwestern. Mein Drache sah ganz anders aus als der auf der Münze, und deshalb hatte ich die beiden nicht in Verbindung gebracht, bis mich der Fremde fragte, ob ich noch etwas hätte, auf dem ein Drache sei.
Der Fremde studierte sorgfältig den Drachen auf meiner Haut und hielt die Münze daneben, ohne mich jedoch zu berühren oder sich näher zu mir herüberzubeugen. Er war immer noch rot im Gesicht, und er schien erleichtert, als ich meine Bluse wieder zuband und die Weste anzog. Er studierte seine Wörterbücher und fragte mich, wer den Drachen dorthin gezeichnet habe. Als ich sagte, das sei mein Vater gewesen, und zwar mit Hilfe einer alten Frau aus dem Dorf, einer Heilerin, fragte er mich, ob er mit meinem Vater darüber sprechen könne. Ich schüttelte meinen Kopf so sehr, dass er erneut errötete. Dann erklärte er mir unter großen Schwierigkeiten, dass meine Familie von einem bösen Fürsten abstamme, der die Burg über dem Fluss erbaut habe. Dieser Fürst sei der Sohn des Drachen genannt worden und er habe viele Menschen getötet. Er sagte, der Prinz sei zu einem pricolic, einem Vampir, geworden. Ich bekreuzigte mich und bat die heilige Mutter Maria um ihren Schutz. Er fragte mich, wie alt ich sei, ob ich Brüder und Schwestern hätte und ob es im Dorf noch andere Leute mit unserem Namen gebe.
Endlich zeigte ich auf die Sonne, die schon fast untergegangen war, um ihm zu sagen, dass ich nach Hause müsse, und er stand schnell auf und wirkte ganz ernst. Er gab mir seine Hand und half mir auf. Als ich seine Hand nahm, sprang mir das Herz bis in die Fingerspitzen. Verwirrt wandte ich mich schnell von ihm ab. Aber plötzlich dachte ich mir, dass er zu sehr an bösen Geistern interessiert sei und sich möglicherweise in Gefahr bringe. Vielleicht konnte ich ihm etwas geben, das ihn schützen würde. Ich zeigte auf den Boden und auf die Sonne. Kommen Sie morgen, sagte ich. Er zögerte einen Moment und lächelte dann endlich. Er setzte den Hut auf und tippte an die Krempe. Damit verschwand er im Wald.
Am nächsten Morgen, als ich zum Brunnen ging, saß er mit den alten Männern vor der Taverne und schrieb wieder etwas auf. Ich glaubte, seinen Blick auf mir zu spüren, aber er ließ sich nicht anmerken, dass er mich kannte. Ich fühlte mich so glücklich, weil ich begriff, dass er unser Geheimnis bewahrte. Nachmittags, als Vater, Mutter, Brüder und Schwestern nicht im Haus waren, tat ich etwas Schlimmes. Ich öffnete die hölzerne Truhe meiner Eltern und holte den silbernen Dolch hervor, den ich einige Male darin gesehen hatte. Meine Mutter hatte einmal gesagt, dass man Vampire damit umbringe, wenn sie kamen, um die Menschen oder die Tiere anzugreifen. Dazu nahm ich eine Hand voll Knoblauchblüten aus dem Garten meiner Mutter. Alles das versteckte ich in meinem Tuch, als ich aufs Feld hinausging.
Dieses Mal arbeiteten meine Brüder zusammen mit mir, und ich konnte sie nicht abschütteln, aber schließlich sagten sie, es sei Zeit, zurück ins Dorf zu gehen, und sie wollten mich mitnehmen. Ich sagte, ich wolle im Wald ein paar Kräuter sammeln, und käme in ein paar Minuten nach. Ich war sehr nervös, als ich zu dem Fremden kam, der tief im Wald bei unserem Felsvorsprung auf mich wartete. Er rauchte seine Pfeife, aber als ich auf ihn zukam, legte er sie weg und sprang auf. Ich setzte mich zu ihm und zeigte ihm, was ich mitgebracht hatte. Er sah verdutzt aus, als er den Dolch sah, und war sehr interessiert, als ich ihm erklärte, dass er ihn benutzen könne, um pricolici umzubringen. Er wollte ihn nicht annehmen, aber ich bat ihn so eindringlich, den Dolch zu nehmen, dass er aufhörte zu lächeln und ihn nachdenklich in seinen Rucksack packte, wobei er ihn erst in mein Tuch wickelte. Dann gab ich ihm die Knoblauchblüten und machte ihm klar, dass er einige davon in seine Jackentaschen stecken sollte.
Ich fragte ihn, wie lange er in unserem Dorf bleiben werde, und er zeigte mir fünf Finger: noch fünf Tage. Er machte mir begreiflich, dass er einige Dörfer in der Nähe besuchen wolle, zu Fuß von unserem Dorf aus, um
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