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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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Corvinus, dem ungarischen König. Die beiden produzierten noch eine Menge Draculas.«
    »Gibt es immer noch welche von ihnen in Transsilvanien oder der Walachei?«
    »Ich glaube nicht. Ich hätte sie aufgespürt, wenn es sie gäbe.«
    Er riss ein Stück Brot ab und reichte es mir. »Die zweite Linie besaß Grund im Land der Szekler und vermischte sich sehr mit den Ungarn. Der Letzte von ihnen heiratete in das vornehme Geschlecht der Getzisy und die sind ganz verschwunden.«
    Zwischen den einzelnen Bissen schrieb ich all das in mein Notizbuch, obwohl ich nicht glaubte, dass es mich an irgendein Grab führen würde. Das brachte mich auf meine letzte Frage, so ungern ich sie in dieser immer tiefer werdenden Dunkelheit stellte.
    »Ist es nicht möglich, dass Dracula hier beerdigt wurde oder dass man seinen Leichnam von Snagov hergebracht hat, um ihn zu schützen?«
    Georgescu lachte. »Sie haben immer noch Hoffnung, wie? Nein, der alte Knabe liegt irgendwo in Snagov, denken Sie an meine Worte. Natürlich hatte die Kapelle da drüben eine Krypta. Es gibt eine Vertiefung mit ein paar Stufen, die nach unten führen. Als ich vor Jahren zum ersten Mal hier war, habe ich da unten etwas herumgebuddelt.« Er grinste über das ganze Gesicht. »Die Dorfbewohner wollten wochenlang nicht mehr mit mir sprechen. Aber da war nichts. Nicht mal ein paar Knochen. «
    Bald darauf fing er heftig an zu gähnen. Wir zogen unsere Vorräte näher ans Feuer, rollten uns in unsere Schlafdecken und lagen ganz still da. Die Nacht war kühl, und ich war froh, meine wärmsten Sachen angezogen zu haben. Eine Zeit lang sah ich hinauf zu den Sternen, die wunderbar nah über dem finsteren Abgrund zu schweben schienen, und lauschte auf Georgescus Schnarchen.
    Ich muss schließlich auch eingeschlafen sein. Als ich die Augen wieder aufschlug, war das Feuer heruntergebrannt, und ein Wolkenfetzen umhüllte die Bergspitze. Ich zitterte und wollte gerade aufstehen, um frisches Holz aufs Feuer zu legen, als mir ein Rascheln nahebei das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wir waren nicht allein in der Ruine, und was immer diese dunkle Halle mit uns teilte, war ganz in der Nähe. Ich erhob mich langsam von meinem Lager und überlegte, dass ich Georgescu wecken würde, wenn nötig, und ob er irgendwelche Waffen in seiner Zigeunertasche mit sich trug. Es herrschte Totenstille, und nach ein paar Sekunden wurde die Spannung einfach zu groß für mich. Ich steckte einen Ast von unserem Haufen Anzündholz in die Glut, und als er Feuer fing, hatte ich eine Fackel, die ich vorsichtig in die Höhe streckte.
    Plötzlich fing mein Fackellicht in den Tiefen des überwucherten Kapellenareals das rote Glimmen von Augen ein. Ich würde lügen, mein Freund, wenn ich sagte, dass sich mir nicht die Haare am ganzen Körper aufstellten. Die Augen kamen ein wenig näher, und ich vermochte nicht zu sagen, wie nah über dem Boden sie sich befanden. Sie betrachteten mich eingehend, und ich hatte den völlig irrationalen Findruck, dass sie voll von so etwas wie Anerkennung waren, dass sie wussten, wer ich war, und mich genau abschätzten. Dann kam, begleitet von einem Rascheln im Geäst, ein großes Tier halb in den Blick, drehte den Kopf hierhin und dorthin und trottete schließlich in die Dunkelheit davon. Es war ein Wolf von erstaunlicher Größe. Im schwachen Licht konnte ich eine Sekunde lang sein zottiges Fell und den massigen Kopf sehen, bevor er aus der Ruine schlich und verschwand.
    Ich legte mich wieder hin und wollte Georgescu nicht wecken, jetzt, wo die Gefahr vorüber schien, aber ich konnte nicht einschlafen. Wieder und wieder sah ich, wenigstens in meiner Vorstellung, jene neugierigen, wissenden Augen. Ich nehme an, ich wäre am Ende doch eingedöst, aber während ich so dalag, wurde ich mir plötzlich eines entfernten Geräuschs bewusst, das aus der Dunkelheit des Waldes auf uns zuzutreiben schien. Bald schon hielt ich es nicht mehr aus unter meinen Decken, stand wieder auf und schlich in meinen dicken Socken über den holperigen Hof um über die Mauer zu sehen. Zum Arges ging es steil hinunter, wie ich bereits berichtet habe, aber zu meiner Linken gab es einen bewaldeten Hang, der etwas sanfter abfiel, und von dort hörte ich so etwas wie das Murmeln vieler Stimmen und sah ein Glimmen, das ein Lagerfeuer sein konnte. Ich fragte mich, ob Zigeuner hier in die Wälder kamen. Am Morgen würde ich Georgescu danach fragen.
    Als hätte der Gedanke ihn aus seinem Schlaf geholt,

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