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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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Universitätsjubiläums gelauscht hatte. Ich wandte mich ab, es schnürte mir die Kehle zu. Ranov lief, wie ich bemerkte, mit einem Glas in der Hand unter der Pergola herum.
    Als sich die Gesellschaft wieder ihren Tellern zuwandte und ihre Unterhaltung neu aufnahm, fanden sich Helen und ich auf Ehrenplätzen in der Nähe von Stoichev wieder. Er lächelte und nickte uns zu. ›Welch eine Freude für mich, dass Sie heute kommen konnten. Sie müssen wissen, das ist heute mein Lieblingsfeiertag. Wir haben viele Heiligentage in unserem Kirchenkalender, aber dieser ist für alle, die lehren und lernen, etwas Besonderes, denn heute ehren wir das slawische Erbe von Schrift und Literatur und das Lehren und Lernen vieler Jahrhunderte, was auf Kyrill und Metod und ihre großartige Erfindung zurückgeht. Und an diesem Tag kommen all meine liebsten Studenten und Kollegen, um ihren alten Professor bei seiner Arbeit zu stören. Ich danke ihnen sehr für diese Unterbrechung.‹ Er sah sich mit einem warmherzigen Ausdruck um und schlug dem am nächsten sitzenden Kollegen auf die Schulter. Mit einem Anflug von Trauer sah ich, wie gebrechlich seine Hand war, wie dünn und fast durchscheinend.
    Nach einer Weile standen Stoichevs Studenten auf und gingen entweder zu dem Tisch, wo das gebratene Lamm zerteilt wurde, oder sie spazierten in Zweier- und Dreiergruppen durch den Garten. Kaum dass wir allein waren, wandte sich Stoichev mit eindringlicher Stimme an uns. ›Kommen Sie‹, sagte er. ›Lassen Sie uns reden, solange wir die Möglichkeit dazu haben. Meine Nichte hat versprochen, Mr Ranov in der Zwischenzeit zu beschäftigen, soweit es ihr möglich ist. Ich möchte Ihnen ein paar Dinge sagen, und wenn ich es recht verstehe, haben auch Sie mir einiges zu sagen.‹
    ›Gewiss.‹ Ich zog meinen Stuhl näher zu ihm heran, und Helen tat das Gleiche.
    ›Zunächst einmal, meine Freunde‹, sagte Stoichev, ›habe ich den Brief noch einmal sorgfältig gelesen, den Sie mir gestern dagelassen haben. Hier ist Ihr Exemplar.‹ Er nahm ihn aus seiner Brusttasche. ›Ich gebe ihn Ihnen, damit er sicher ist. Ich habe ihn viele Male gelesen, und ich glaube, dass er aus derselben Feder stammt, wie der Brief, den ich besitze. Bruder Kyrill, wer immer das war, schrieb beide Briefe. Ich kann natürlich nicht Ihr Original studieren, aber wenn das hier eine genaue Übersetzung ist, lässt sich ein ähnlicher Kompositionsstil erkennen, und Namen und Daten passen fraglos ebenfalls zusammen. Ich glaube, es besteht wenig Zweifel, dass diese Briefe Teil derselben Korrespondenz sind und entweder getrennt verschickt oder durch Umstände voneinander getrennt wurden, über die wir nie Aufschluss bekommen werden. Ich habe zwar noch ein paar weitere Gedanken für Sie, aber jetzt müssen Sie mir erst von Ihren Nachforschungen berichten. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht allein nach Bulgarien gekommen sind, um nur etwas über unsere Klöster zu erfahren. Wie haben Sie diesen Brief gefunden?‹
    Ich erklärte ihm, dass wir unsere Suche aus Gründen begonnen hätten, die ich nur schwer beschreiben könne, da sie nicht sehr rational klängen. ›Sie sagten, Sie haben die Bücher von Professor Bartholomew Rossi gelesen, Helens Vater. Er ist kürzlich unter sehr mysteriösen Umständen verschwunden.‹
    So schnell und klar ich konnte, skizzierte ich Stoichev meine Entdeckung des Drachenbuches zu Hause, Rossis Verschwinden, den Inhalt seiner Briefe und am Ende auch unsere Erlebnisse in Istanbul und Budapest, berichtete von dem Volkslied und dem Holzschnitt mit dem Wort ›Ivireanu‹, den wir in der Universitätsbibliothek in Budapest gefunden hatten, und den anderen Drachenbüchern. Ich verschwieg nur die Halbmond-Garde. Eines der Dokumente aus meiner Aktentasche zu ziehen, wo so viele Leute in Sichtweite waren, traute ich mich nicht, aber ich beschrieb ihm die drei Karten und die Ähnlichkeit der dritten mit den Drachen in den verschiedenen Büchern. Er hörte mit der größten Geduld und ebenso großem Interesse zu, die Brauen unter dem feinen weißen Haar gerunzelt und die dunklen Augen weit geöffnet. Nur einmal unterbrach er mich, um eindringlich nach einer genaueren Beschreibung jedes einzelnen Drachenbuches zu fragen – meines, Rossis, dem von Hugh James und Boras’. Wegen seiner Fachkenntnis, was Handschriften und frühen Buchdruck anging, mussten diese Bücher von besonderem Interesse für ihn sein. ›Ich habe meines dabei‹, sagte ich und berührte die

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