Der Historiker
Bulgarisch, aber wir werden es durchsehen, und ich erläutere Ihnen die wichtigsten Punkte.‹
Er öffnete das verblichene Journal, und seine Hand zitterte wie seine Stimme, als er eine kurze Beschreibung von Angelovs Entdeckung hervorzog. Der Artikel, den er aus Angelovs Notizen erstellt hatte, und das Dokument selbst sind mittlerweile längst auf Englisch veröffentlicht, mit etlichen Neuausgaben und endlosen Anmerkungsapparaten. Aber noch heute kann ich die veröffentlichte Ausgabe nicht in die Hand nehmen, ohne Stoichevs alterndes Gesicht vor mir zu sehen, das feine Haar, das über die abstehenden Ohren fällt, die großen Augen, die sich mit geradezu brennender Konzentration auf die Seiten richten. Aber vor allem habe ich seine zögerliche Stimme im Ohr.
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DIE CHRONIK DES ZACHARIAS VON ZOGRAPHOU
Von Atanas Angelov und Anton Stoichev
Einführung
Die Chronik des Zacharias als historisches Dokument
Trotz seiner berühmterweise enttäuschenden Unvollständigkeit ist die Chronik des Zacharias mit der eingebetteten »Erzählung von Stefan dem Wanderer« eine wichtige Quelle zu den christlichen Pilgerwegen über den Balkan des fünfzehnten Jahrhunderts, wie auch ein Beleg für das Schicksal des Leichnams von Vlad III. Tepes der Walachei, von dem lange angenommen wurde, er hätte seine letzte Ruhestätte im Kloster auf einer Insel im Snagov-See (im heutigen Rumänien) gefunden. Darüber hinaus liefert es einen seltenen Bericht über walachische Neomärtyrer (wenn wir auch nicht sicher wissen, welcher Nationalität die Mönche aus Snagov waren, mit Ausnahme von Stefan, um den es in der Chronik geht). Nur sieben andere Neomärtyrer walachischer Herkunft sind überliefert, und von keinem von ihnen wüsste man, dass sich sein Schicksal in Bulgarien vollendet hätte.
Die unbetitelte Chronik, wie man sie heute nennt, wurde 1479 oder 1480 von einem Mönch namens Zacharias im bulgarischen Kloster Zographou auf dem Berg Athos in slawischer Sprache niedergelegt. Zographou, das »Kloster der Maler«, wurde im zehnten Jahrhundert gegründet und in den 1220er Jahren von der bulgarischen Kirche gekauft. Es liegt in der Nähe des Zentrums der Athos-Halbinsel. Wie auch bei dem serbischen Kloster Hilandar und dem russischen Panteleimon war die Nationalität der Insassen des Klosters Zographou nicht auf das Geld gebende Land begrenzt; das und das Fehlen aller weiteren Information macht es unmöglich, die Herkunft des Zacharias zu bestimmen: Er kann Bulgare gewesen sein, Serbe, Russe oder vielleicht Grieche, obwohl der Umstand, dass er auf Slawisch schrieb, dafür spricht, dass er slawischer Herkunft ist. Die Chronik verrät uns nur, dass er im fünfzehnten Jahrhundert geboren wurde und der Abt von Zographou seine Fähigkeiten schätzte, denn er wählte ihn aus, die Bekenntnisse von Stefan dem Wanderer anzuhören und für einen wichtigen bürokratischen oder vielleicht auch theologischen Zweck aufzuschreiben.
Die Orte, die Stefan in seiner Erzählung nennt, passen zu einigen gut bekannten Pilgerwegen. Konstantinopel war für walachische Pilger wie für Wallfahrer der ganzen östlichen christlichen Welt das wichtigste Ziel. Die Walachei, und besonders das Kloster Snagov, war ebenfalls ein Pilgerziel, und es kam durchaus vor, dass ein Pilger sowohl nach Snagov als auch nach Athos wallfahrtete. Dass die Mönche auf ihrem Weg in die Gegend von Bachkovo durch Haskovo kamen, deutet darauf hin, dass sie wahrscheinlich auf dem Landweg von Konstantinopel unterwegs waren, von Edirne (in der heutigen Türkei gelegen) aus in das südöstliche Bulgarien. Von den üblichen Häfen am Schwarzen Meer aus wären sie zu weit nördlich für einen Halt in Haskovo gewesen.
Das Auftauchen von traditionellen Pilgerzielen in Zacharias’ Chronik gibt Anlass zu der Frage, ob es sich bei Stefans Erzählung um das Dokument einer Pilgerreise handelt. Die beiden behaupteten Gründe für Stefans Wanderschaft – Vertreibung aus dem eroberten Konstantinopel nach 1453 und der Transport von Reliquien sowie die Suche nach einem »Schatz« in Bulgarien nach 1476 – machen die Erzählung aber zumindest zu einer Variation der klassischen Pilgerchronik. Im Übrigen scheint nur Stefans Aufbruch aus Konstantinopel wirklich primär von dem Wunsch motiviert, heilige Stätten im Ausland aufzusuchen.
Ein zweiter Themenbereich, auf den die Chronik ein Licht wirft, sind die letzten Tage von Vlad III. der Walachei (1428?-76), allgemein bekannt als Vlad
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