Der Historiker
Schritt auf den Boden, und meine Beine zitterten so sehr, dass ich, kaum war ich aus dem Sarkophag, auch schon auf die Knie fiel. Jetzt konnte ich das Licht ein wenig besser sehen. Mit den Händen vor mir her tastend, kroch ich auf das weiche rötliche Licht zu und stieß dabei gegen etwas, das ein weiterer Sarkophag zu sein schien, der allerdings leer war, sowie gegen ein hölzernes Möbelstück. Als ich gegen das Holz schlug, hörte ich etwas Weiches zu Boden fallen, konnte aber nicht sehen, was es war.
Das Herumtasten in der Finsternis war Furcht erregend, und ich rechnete jede Sekunde damit, von dem Ding, der Kreatur, das oder die mich hierher gebracht hatte, gestellt und geschlagen zu werden. Wieder fragte ich mich, ob ich nicht vielleicht doch tot und dieses eine schreckliche Art des Todes war, die ich fälschlicherweise für die Fortsetzung des Lebens hielt. Aber nichts und niemand schlug auf mich ein. Der Schmerz in meinen Beinen war zudem ziemlich überzeugend, und ich kam tatsächlich näher an das Licht heran, das am Ende des langen Raumes tanzte und flackerte. Davor, das konnte ich jetzt erkennen, befand sich eine bewegungslose dunkle Masse. Als ich bis auf ein paar Meter herangekommen war, erkannte ich einen Kamin mit heruntergebranntem Feuer, das nur mehr rötlich glühte. Es wurde eingerahmt von den Steinen des Kamins und gab gerade genug Licht, dass ich ein paar schwere alte Möbelstücke ausmachen konnte: einen großen Schreibtisch voller Papiere, eine Truhe mit Schnitzverzierungen und einen oder zwei eckige hohe Stühle. Auf einem der Stühle, der mit dem Rücken zu mir vor dem Feuer stand, saß jemand, ohne sich zu bewegen – ich sah eine dunkle Silhouette über die Rückenlehne hinausragen. Ich wünschte jetzt, dass ich mich in die andere Richtung vorgetastet hätte, weg von diesem Licht und in Richtung eines möglichen Fluchtwegs, aber mein Blick wurde magisch angezogen von dieser dunklen Silhouette, dem Thronsessel darunter und dem roten Glühen des Feuers: Einerseits kostete es mich alle Willenskraft, weiter darauf zuzutreten, andererseits hätte ich mich, so sehr ich mich auch bemüht hätte, mich nicht zurückwenden können.
Langsam bewegte ich mich auf meinen schmerzenden Beinen weiter auf die Feuerstelle zu, und als ich dem großen Lehnstuhl näher kam, erhob sich langsam die Gestalt darauf und wandte sich mir zu. Weil ihr Rücken dem Feuerschein des Kamins zugewandt war, der einzigen Lichtquelle im Raum, und das Gesicht im Dunkeln lag, konnte ich die Physiognomie nicht erkennen, obwohl ich für den Bruchteil einer Sekunde eine knochenbleiche Wange und ein aufblitzendes Auge zu sehen glaubte. Es war ein Mann mit langem dunklem Haar, das ihm wie ein dichter Lockenhelm bis auf die Schultern reichte. Etwas an seinen Bewegungen unterschied sich auf unbeschreibbare Weise von denen eines lebenden Menschen, aber ob sie nun schneller oder langsamer waren, hätte ich nicht sagen können. Er überragte mich nur um Weniges, wirkte aber imposant. Seine Schultern zeichneten sich breit gegen den Feuerschein ab. Er griff nach etwas, bückte sich zum Feuer, und ich fragte mich, ob er mich umbringen wollte, rührte mich nicht und hoffte, in Würde zu sterben, wie er es auch anstellen mochte. Aber er hielt nur eine lange dünne Kerze ins Feuer, und als sie entzündet war, steckte er damit weitere auf einem Kandelaber neben seinem Stuhl an und wandte sich anschließend wieder mir zu.
Jetzt sah ich ihn besser, obwohl sein Gesicht immer noch im Schatten lag. Er trug eine komische Mütze von Grün und Gold mit einer reich mit schweren Juwelen besetzten Brosche vorn auf dem Besatz und einen breitschultrigen Waffenrock aus goldenem Samt mit einem grünen hochgeschlossenen Stehkragen unter seinem großen Kinn. Die Edelsteine über seiner Stirn und die Goldfäden in seinem Kragen funkelten im Schein des Feuers. Ein Umhang aus weißem Fell lag um seine Schultern und war mit einem silbernen Drachen festgesteckt. Sein Aufzug war außerordentlich und jagte mir fast so viel Angst ein wie seine seltsame untote Anwesenheit. Es waren richtige Kleider, farbfrische Kleider, keine verblichenen Museumsstücke, und er trug sie hoheitsvoll und mit Anmut. Schweigend stand er vor mir, und sein Umhang fiel wie ein unbändiger Schneewirbel um ihn herum. Das Kerzenlicht offenbarte eine stumpffingrige, vernarbte Hand auf dem Griff eines Dolches und weiter unten ein kräftiges Bein in grüner Hose, das in einem Stiefel steckte. Er
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