Der Hobbit
hinein.
»Grüß dich, Thorin!«, sagte er. »Hier ist er.«
Und wahrhaftig, da lag Thorin Eichenschild mit vielen Wunden, neben ihm auf dem Boden seine zerhauene Rüstung und die schartige Axt. Er blickte auf, als Bilbo an seine Seite trat.
»Lebe wohl, Meisterdieb!«, sagte er. »Ich gehe nun in die Hallen der Erwartung, um dort bei meinen Vätern zu sitzen, bis die Welt neu erschaffen wird. Weil ich nun alles Gold und Silber zurücklassen muss, denn da, wo ich nun hingehe, ist es nicht viel wert, möchte ich in Freundschaft von dir scheiden und zurücknehmen, was ich am Tor gesagt und getan habe.«
Traurig ließ sich Bilbo auf ein Knie nieder. »Lebe wohl, König unter dem Berge!«, sagte er. »Dies ist ein bitteres Abenteuer, wenn es so enden muss; und ein Berg von Gold kann es nicht gutmachen. Doch bin ich froh, dass ich mit dir durch die Gefahren gehen durfte – das ist mehr, als einem Beutlin zukommt.«
»Nein«, sagte Thorin, »in dir steckt mehr Gutes, als du weißt, du Kind des freundlichen Westens. Ein bisschen Mut und ein bisschen Klugheit in gut abgewogener Mischung. Gäbe es solche nur mehr, die ein gutes Essen, einen Scherz und ein Lied höher achten als gehortetes Gold, so wäre die Welt glücklicher. Doch ob traurig oder glücklich, ich muss sie nun verlassen. Lebe wohl!«
Da wandte Bilbo sich ab und ging aus dem Zelt. Sobald er allein war, setzte er sich hin, nahm eine Decke um, und, ob ihr es glaubt oder nicht, er weinte, bis er rote Augen und eine heisere Stimme bekam: Er hatte ein gutes, freundliches Hobbitherz. Es dauerte lange, bis er wieder zu Späßen aufgelegt war. »Ein Glück nur«, sagte er sich schließlich, »dass ich rechtzeitig aufgewacht bin. Ich wollte, Thorin bliebe am Leben, aber ich bin auch froh, dass wir uns in Freundschaft getrennt haben. Du bist ein Trottel, Bilbo Beutlin, und hast mit dem Arkenstein einen großen Schlamassel angerichtet. So sehr du dich auch bemüht hast, Ruhe und Frieden zu erkaufen, es ist doch zur Schlacht gekommen; aber ich glaube, daran kann dir kaum einer die Schuld geben.«
Was alles geschehen war, nachdem ihn der Stein betäubt hatte, erfuhr Bilbo später; aber es bereitete ihm mehr Kummer als Freude, und er war sein Abenteuer nun gründlich leid. Er wollte nur noch nach Hause. Bis er sich aber auf den Rückweg machen konnte, musste er noch ein wenig warten, und inzwischen kann ich einiges von dem, was vorgefallen war, berichten. Die Adler hatten schon lange den Verdacht geschöpft, dass die Orks sich zu einem Kriegszug sammelten; ihrer Wachsamkeit konnten die Marschkolonnen in den Bergen nicht ganz verborgen bleiben. Darum hatten auch sie sich in großer Zahl unter der Führung des Adlerfürsten der Nebelberge gesammelt, und als sie schließlich den Krieg von fern wittern konnten, waren sie, vom Sturm getragen, herbeigeeilt und in letzter Sekunde zur Stelle gewesen. Sie waren es, die die Orks von den Berghängen verjagten: Sie warfen sie über die Klippen oder scheuchten sie hinunter, dasssie heulend und entgeistert ihren Feinden in die Waffen liefen. Nicht lange, so waren die Orks vom Einsamen Berg weggeräumt, und die Elben und Menschen konnten endlich den Zwergen unten im Tal zu Hilfe kommen.
Aber auch mit den Adlern waren die Verbündeten noch weit in der Unterzahl. In dieser letzten Stunde war Beorn auf dem Schlachtfeld erschienen – niemand wusste, wie und woher. Er kam ganz allein und in Bärengestalt, doch die Kampfeswut schien ihn ins fast Riesenhafte vergrößert zu haben.
Sein Gebrüll klang wie Paukenschlag und Kanonendonner; und er fegte die Orks und die Wölfe wie Federn und Strohhalme beiseite. Er fiel über ihre Nachhut her und durchbrach ihren Einschließungsring wie ein Donnerkeil. Auf einem runden Hügel hielten die Zwerge noch stand, um ihre Fürsten geschart. Dort beugte Beorn sich nieder und hob Thorin auf, der von Speeren durchbohrt gefallen war, und trug ihn aus dem Getümmel.
Gleich darauf kam er wieder, in verdoppelter Wut. Nichts konnte ihm widerstehen, keine Waffe schien ihn verwunden zu können. Er zerfetzte Bolgs Leibwache; dann griff er sich Bolg selbst und erdrückte ihn. Entsetzen packte die Orks, und sie flohen in alle Richtungen. Bei ihren Feinden aber verscheuchte die neue Hoffnung alle Müdigkeit. Sie setzten den Flüchtenden scharf nach und ließen nicht viele entkommen. Manche trieben sie in den Eilend; manche, die nach Süden oder Westen flohen, jagten sie in die Sümpfe um den Waldfluss, wo
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