Der Hochzeitsvertrag
hastigen Bewegungen, bitte. Ich werde dich aus dem Wagen ziehen, sobald du stehst."
Emily spürte, wie ihr erneut Tränen über die Wangen liefen. Aber tapfer zog sie die Füße unter sich an und richtete sich vorsichtig auf.
Sie hörte, wie Nicholas heftig atmete. "Und jetzt halte dich an meinem Handgelenk fest. Mit beiden Händen", wies er sie an. "Wenn der Wagen sich bewegt, rühr dich nicht!"
"Ja", erwiderte sie mit bebender Stimme. Dass er die Entscheidungen für sie traf, war auf merkwürdige Weise beruhigend. Dabei hasste sie es sonst, wenn jemand das tat.
"Bist du dir sicher, dass du dich an meiner Hand festhalten kannst? Ich würde ja gern in den Wagen steigen und dich herausheben, aber unter diesen Umständen wäre es weniger gefährlich, wenn du dich von mir herausziehen lässt. Du hast doch keine Angst?"
"Natürlich nicht!" erklärte sie, obwohl sie Todesängste ausstand. Aber das würde sie niemals zugeben.
Vorsichtig stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Aber dennoch reichte sie mit dem Kopf nur knapp aus dem Fenster. "Ich wünschte, ich wäre größer!" meinte sie.
Nicholas gab einen Laut der Zustimmung von sich und räusperte sich besorgt. "Jetzt wird es schwierig, Emily. Bitte strample nicht, und versuch nicht, mir zu helfen, wenn ich dich herausziehe."
Sie sah zu ihm hoch. "Es besteht die Gefahr, dass wir hinunterstürzen, nicht wahr?" meinte sie schaudernd.
"Darüber denken wir jetzt nicht nach. Tu einfach, was ich dir sage."
Emily schluckte, dann reichte sie ihm die Aktentasche, die sie sich beim Aufstehen unter den Arm geklemmt hatte. "Die wirst du noch brauchen."
"Lass alles Übrige liegen", sagte er, während er sie ihr abnahm und neben sich legte. "Ich werde dich hier herausbringen. Alles andere ist im Moment völlig egal."
Sobald sie sein Handgelenk umklammerte, begann er zu ziehen. Bald schwebten ihre Füße in der Luft. Nicholas beugte sich über das Fenster, griff mit der rechten Hand unter ihre Achsel und zog Emily langsam hoch. Sie konnte hören, wie angestrengt er atmete. Oder war sie es selbst?
Ihre Röcke blieben an den Scherben im Fensterrahmen hängen. Die Kutsche erbebte, und Emily war es, als ob der Wagen ein Stück weiterrutschte.
"Nicht bewegen!" warnte Nicholas sie und packte sie fester. "Beug dich mit dem Oberkörper aus dem Fenster. Ich werde dich jetzt loslassen. Du bist schon fast draußen."
Sie spürte, dass er nach ihren Röcken und Unterröcken tastete und sie, Emily, vorsichtig Zentimeter um Zentimeter aus dem Wagen zog. Irgendetwas verhakte sich und riss.
"Beweg dich bloß nicht, Emily", bat Nicholas sie. Mit seiner behandschuhten Hand prüfte er den Fensterrahmen, wahrscheinlich um zu sehen, wo die Scherben steckten, an denen sich die Röcke verfangen hatten. Dem Klirren nach zu urteilen, brach er sie ab. Nie war Emily so froh gewesen, ein festes, schützendes Korsett und viele dicke Unterröcke zu tragen.
"Gut. Keine Hindernisse mehr. Ich ziehe dich jetzt ganz heraus", sagte er. "Aber wir müssen uns beeilen. Wenn die Kutsche wieder schwankt, spring sofort. Und zwar nach rechts", wies er sie an und warf seine Aktenmappe in weitem Bogen nach oben. "Klammere dich an mich, ich versuche, deinen Sturz abzudämpfen. Sobald du den Erdboden spürst, halt dich an irgendetwas fest. Bist du bereit?"
Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich. Mit einer raschen Bewegung packte er sie bei den Achseln und zog sie mit einem Ruck aus dem Fenster.
Nicholas stöhnte, als er rückwärts fiel und ein Stück nach unten rutschte. Ein hoher, schriller Angstschrei erklang. Emily begriff zunächst gar nicht, dass sie ihn ausgestoßen hatte.
Dann übertönte der Lärm, den die Kutsche machte, als sie, sich überschlagend, den Hang nach unten rutschte, jeden menschlichen Laut. Emily hatte einen Arm um Nicholas' Schultern geschlungen und hielt sich mit der anderen Hand verzweifelt an einem jungen Baum fest, dessen Wurzeln schon halb aus dem Boden kamen. Sie sah die Böschung hinauf. Wo sind wir, fragte sie sich verzweifelt. Der Nebel hatte sich nur wenig gehoben. Wieder hingen ihre Beine in der Luft. Angst stieg in ihr auf.
"Nicht loslassen, Emily", flüsterte Nicholas mit erstickter Stimme. "Ich muss nur einen Moment Luft holen."
Emily presste ihr Gesicht auf die feuchte Erde und betete. Für sich. Für Nicholas. Für den kleinen Baum, an den sie sich mit aller Macht klammerte.
Bald hatte Nicholas sich erholt. Zentimeter um Zentimeter robbte er mit ihr die Böschung
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