Der Höllenbote (German Edition)
von Gästen zu einer sogenannten ›Feier des Frühlingsäquinoktiums‹ ein. Es kam zu einer Orgie, die schnell ausartete. Die Suits ermordeten elf Menschen bei dem Versuch, den Dämon Baalzephon zu beschwören ...«
Jane hätte kaum verwirrter sein können. Was hatte dieser Mist in den Regionalnachrichten zu suchen? Sie verschränkte die Arme und verzog verächtlich das Gesicht. Steve dagegen schien den Bericht interessiert zu verfolgen.
Noch immer hatte sie nicht das Gesicht des langhaarigen Mannes im Fernsehen gesehen; die Kamera folgte ihm weiterhin von hinten. Jetzt änderte sich das Geräusch seiner Schritte. Aus dem Klappern auf einem Holzboden wurde ein feines Knirschen – er ging durch einen Wald. Lass mich raten, dachte Jane. Das ist jetzt wahrscheinlich ein Spukwald. Schließlich gelangte er auf eine Lichtung, und Jane erkannte, wo er sich tatsächlich befand: auf einem Friedhof. Aber es war deutlich zu sehen, dass es nirgendwo in Florida sein konnte.
»Prospect Hill, Rhode Island«, kam die Stimme aus dem Off, als die Kamera über die alten Grabsteine aus Granit schwenkte. »Sommer 1987. Jacobi Mather, ein direkter Nachfahre des berüchtigten Hexenjägers Cotton Mather, hielt genau hier eine schwarze Messe zum Fest von Samhain ab und beschwor angeblich den Morgenstern persönlich, den Herrn der Luft, den Täuscher der Seelen – auch bekannt als Luzifer.«
Beim nächsten Szenenwechsel musste sogar Jane keuchen und Steve richtete sich noch ein paar Zentimeter weiter auf. Die Kamera schwenkte jetzt über einen sehr vertrauten Anblick: eine Schule. Die Stimme fuhr fort: »Die ruhige Stadt Danelleton im mittleren Florida. Die Zeit: vor wenigen Tagen ...«
Jane beugte sich näher zu Steve. »Warte mal. Das sieht doch aus wie ...«
»Genau«, sagte Steve. »Wie gefällt dir das? In den Regionalnachrichten ...«
Jetzt zeigte die Kamera wieder den Langhaarigen, immer noch von hinten, wie er auf den Säuleneingang eines Wohnheims zuging. »Die Seaton-Schule für christliche Mädchen«, sagte der monotone Akzent. »Vor wenigen Tagen lief der offenbar geistesgestörte Postangestellte Carlton Spence Amok und ermordete eine Nonne, eine Lehrerin und sechs Schülerinnen. Er kreuzigte ihre Leichen, und bevor er sich selbst das Leben nahm, hinterließ er dieses Zeichen ...«
Schnitt zu einer schockierenden Nahaufnahme. An der Wand des Duschraumes, mit Blut gemalt, befand sich das glockenförmige Symbol mit dem Stern.
Eine andere Stimme erklang jetzt aus dem Hintergrund. »Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tiers; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl lautet 666 ...«
Jetzt drehte sich der Langhaarige zur Kamera um. Er hatte einen stechenden Blick, sah aber auch etwas wild aus mit seiner Mähne und dem langen, grau gesträhnten Bart. Eine letzte Kameraeinstellung zeigte, wie vor der Schule die Leichensäcke in die Krankenwagen geladen wurden.
Steve hatte die Augen weit aufgerissen. Er schien meilenweit entfernt zu sein.
»Du«, stöhnte er. »Mein Gott, du bist das.«
Jane starrte ihn an. »Steve, kennst du diesen Mann?«
»Oh, ich kenne ihn gut, diesen miesen Hundesohn.«
»Wer ist das?«
»Sein Name ist Dhevic.« Er deutete auf den Fernseher. »Und sieh dir diese Scheiße an! Sie haben in seinen alten Dokumentationen herumgewühlt und sie mit einem neuen Interview über die Morde bei uns zusammengeschnitten. Und sie haben es in die Regionalnachrichten gesteckt, um Himmels willen. Ja, genau das, was die Leute unbedingt sehen müssen. So ein Schwachsinn!«
»Ich versteh kein Wort. Was ist mit diesem Mann?«
Steve tat es mit einem schiefen Grinsen ab. »Das ist eine lange Geschichte; ich will dich damit nicht nerven.«
Jetzt fühlte sich Jane erst so richtig verwirrt. Zuerst dachte sie, er wolle aufstehen und gehen, aber dann merkte sie, dass er nach der Fernbedienung griff.
Er schaltete den Fernseher aus.
»Was ...«, setzte sie an.
Er küsste sie wieder, stürmischer als zuvor. Jane reagierte mit der gleichen Leidenschaft. Etwas an dieser Fernsehsendung musste ihn aufgewühlt haben – zumindest glaubte sie, dass es so war. Steve kam ihr jetzt ungestümer vor, zielstrebiger, mehr auf sie konzentriert. Jane war wie berauscht, aber dahinter lauerte ein unverkennbares Gefühl der Beunruhigung. Fast verspürte sie so etwas wie Angst. Aber wovor?
Er zog sie enger an sich heran. Seine Küsse wirkten jetzt beinahe verzweifelt. Jane wusste nicht, wie sie reagieren
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