Der Höllenbote (German Edition)
Haus, erst vor Kurzem gestrichen, ein schöner Garten, ein Haus wie die meisten hier in der Gegend – ein Haus wie deins. Wir bekamen einen 10-22 über Funk – das bedeutet nicht näher bekannte Probleme. Bei solchen Einsätzen muss man immer vorsichtig sein, weil man nie weiß, was einen erwartet. Das kann eine Katze auf einem Baum sein oder ein durchgeknallter Idiot mit einer Schrotflinte, der seine Frau und Kinder als Geiseln festhält. Man weiß nie, womit man es zu tun hat, deshalb ist man ganz besonders auf der Hut. Man macht die Klappe seines Holsters los, damit man schneller ziehen kann, nur für alle Fälle. Und am seltsamsten war, dass es in einer Stadt wie dieser geschah, in einer friedlichen, ruhigen Kleinstadt.
Tja, aber an diesem Tag stellte sie sich als gar nicht so friedlich und ruhig heraus. Mehrere Streifenwagen kamen gleichzeitig an, wir stiegen alle aus und rannten zum Haus. Danelleton war damals noch wesentlich kleiner. Eine Stadt, in der die größten Verbrechen darin bestanden, dass Kinder an Halloween Klopapier in der Schule abrollten oder mal jemand angetrunken Auto fuhr, lauter Kleinkram eben. Aber als dieser 10-22 gemeldet wurde, hatten wir alle ein verdammt mulmiges Gefühl im Bauch. Jedenfalls umzingelten wir das Gebäude und mein Partner und ich erhielten den Befehl, durch die Haustür einzudringen. Wir brachen sie auf und ...«
Jane wusste, dass sie gleich ein sehr traumatisches Erlebnis zu hören bekam. Sie überlegte, ob sie ihn darum bitten sollte, aufzuhören, nicht weiterzureden, denn es nahm ihn offensichtlich sehr mit, aber sie konnte nicht. Sie musste es erfahren. Also nahm sie ihn fester in den Arm und sagte: »Red weiter.«
»Mit einem Mal wurde alles totenstill. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber du kannst jeden Cop fragen: Wenn du einen Tatort wie diesen betrittst, ist es so, als trägst du plötzlich Ohrenschützer. Du bist dermaßen auf das fokussiert, was du da so unvermittelt vor Augen hast, dass du auf nichts anderes mehr achten kannst.«
»Was ... war in dem Haus?«, fragte Jane.
»Bist du sicher, dass du das wirklich wissen willst?«
»Ja.«
Seine Stimme wurde noch leiser und tiefer, kratzend und monoton. »Blut«, sagte er. »Überall Blut. Das war das Erste, was wir sahen, als wir die Tür aufbrachen. In der Diele am Fuß der Treppe. Eine große, tiefe Pfütze Blut. Und dann sahen wir die Leiche, eine Frau. Sie lag auf dem Rücken, auf der Treppe, ihre Fußspitzen zeigten nach oben, sodass sämtliches Blut aus ihrem Hals auf den Boden lief.«
»Aus ihrem ...« Jane schluckte, als sie sich die Szene vorzustellen versuchte. Aber es gelang ihr nicht. »Du meinst, jemand hatte ihr die Kehle durchgeschnitten.«
»Nein. Jemand hatte sie enthauptet. Der Täter hatte die Leiche so drapiert, dass sie das Erste war, was wir sehen mussten, wenn wir das Haus betraten: eine kopflose Leiche – und das ganze Blut.«
Jane verspürte gegen ihren Willen eine morbide Faszination. Sie wollte es nicht wissen, sie musste es wissen: »Wo war der ...«
»In der Küche. Er stand aufrecht auf der Arbeitsplatte, direkt neben dem Telefon – ebenfalls Absicht. Der Täter hatte alles absichtlich so arrangiert. Es sah aus, als ob der Kopf uns anstarrte, als ob er auf uns wartete.« Steve seufzte, aufgewühlt und grimmig. »Vermutlich verzerrte die Leichenstarre ihr Gesicht. Die Augen standen offen. Und sie schien uns anzugrinsen.«
»Großer Gott«, flüsterte Jane.
»Und dann der Rest.«
»Da war noch mehr?«, fragte sie entsetzt.
»Jane – das ist erst der Anfang gewesen! Lediglich das erste Haus.«
»Was?«
»Es war unvorstellbar, der absolute Wahnsinn. Worauf wir an dem Tag gestoßen sind, in einem Haus nach dem anderen – das kannst du dir nicht vorstellen. Wir fanden im ersten Haus zwei weitere Leichen, zwei Kinder. Abgeschlachtet. Genau wie das ...«
»... was Marlene Troy getan hat«, ergänzte Jane. »Ich fasse es nicht. Ein identisches Verbrechen, vor 20 Jahren?«
»Na ja, mehr oder weniger. Die Frau ist nicht die Täterin gewesen. Sie war ebenso ein Opfer wie die Kinder. Jemand anders hat es getan. Verübte die Tat und verschwand. Und machte im nächsten Haus weiter, tötete alle, die sich dort aufhielten, und ging noch ein Haus weiter. Und zum nächsten und zum nächsten. Immer so fort.«
Jane schnappte nach Luft.
»Das war der eigentliche Albtraum. Als mein Partner und ich in das Haus eingedrungen waren, ging es erst richtig los. Polizisten von allen
Weitere Kostenlose Bücher